114 Buch II. Physische Geographie. Cap. IV. Die Pflanzenwelt.
gamen ins Leben zu rufen. Dieselben sind perennierend, weil die Pflanzen
nicht in jedem Sommer zur Samenreife gelangen; ihre Blätter, rosettenartig
den kurzen Stengel umgebend, erheben sich kaum über dem Boden, aber die
verhältnismäßig großen Blüthen leuchten in den reinsten Farben. Diese
Pflanzen bilden aber immer nur vereinzelte Polster, zwischen denen Flechten
und Moose den Boden bedecken. So weit man aus der nördlichen Erdhälfte
vorgedrungen ist, hat man überall, wenn auch noch so kleine, mit Vegetation
bedeckte Stellen gefunden; aber die felsigen Küsten der antarktischen Länder
sind vegetationsleer.
Wir haben im Vorhergehenden die Zonen der Erde mit den
Regionen eines Aeqnatorialgebirges, z. B. der Anden, verglichen. So
lassen sich auch an den übrigen Gebirgen Regionen unterscheiden, nur
daß hier die unteren Stufen fehlen. Am Pic von Teneriffa z.B.
reicht der Palmengürtel bis 500™, der Rebengürtel bis 800™,
der Lorbeergürtel bis 1300™ (entgegengesetzt der horizontalen Ver-
breitung dieser Gewächse); der Kieferngürtel bis 2000™, der
Ginstergürtel (Spartium nubigenum) bis 2000™. In den Alpen
unterscheidet man: 1) UntereLanbwald- oder angebanteRegion
von der Ebene (300™) bis 800™. 2) Obere Laubwald- oder
Buchenregion von 800 ™—1300 ™. 3) Region d er N a delh ölzer
oder subalpine Region von 1300™ —1800™. 4) Region der
Alpensträuch er (Rhododendren u. a.) oder untere Alpenregion
von 1800™—2250™. 5) Region d er Alpenkräuter von 2250™
bis zur Schneegrenze. Bei der Vergleichung der Zonen mit den
Regionen in den Gebirgen kommt indes, wie wir eben gesehen haben,
manches Unzutreffende vor, weil auf den Gebirgen die hohe Sommer-
Wärme fehlt (vgl. S. 97). So gedeiht z. B. auf den Apenninen
die Buche noch bei 2000™ Höhe, aber der Kornbau steigt der man-
gelnden Sommerwärme wegen nur bis 1300™ hinauf; in Skan-
dinavien läßt die hohe Sommerwärme den Getreidebau bis über den
Polarkreis hinaus zu, während die Buche schon im südlichen Schweden
verschwindet.
Die Vegetation der Meere an den Küsten ist sehr ungleich. An
sandigen und flachen Küsten ist das Meer pflanzenarm, an felsigen
Küsten entwickelt sich eine reiche Vegetation von bunten, vielverästelten
Algen (Helgoland, im Gegensatz zu den friesischen Küsteninseln). Diese
Algen bildeu in den kälteren Zonen wahre untermeerifche Wälder. Eine
Alge — Nereocystis Lütkeana — der Beringstraße trägt auf
80—90™ langem Stiele Blätter von 9™ Länge, getragen von einer
2™ langen Schwimmblase. Aehnliche Formen zeigt das Feuerland.
Diese Wälder nähren ein reiches Thierleben niederer und höherer For-
men von den niedersten Mollusken bis zu den plumpen Gestalten der
Seekühe (Otaria ursina und der ausgestorbenen Kytina Stellen im
Beringsmeer). Hier wie dort sind es die Tangwälder, welche die
Bewohnbarkeit des wüsten Landes für den Menschen indireet bedingen.
Die genauere Schilderung der einzelnen Vegetationsgebiete behalten
wir uns für den fpeciellen Theil vor.