130 Buch II. Physische Geographie. Cap. V. Die Thierwelt.
jährlich mehr als 150000 Stück lebendes Rindvieh und 50—60 Mill. Pfd.
frisches Fleisch.
Der (Bos grunniens L.) bewohnt Hochasien, vom Himalaja bis
Altai; westwärts ist das Hochland Pamir, östlich das Peling seine Verbrei-
tungsgrenze. Er kommt noch jetzt wild vor bis zu Höhen von 5000 m — 5500 m
und steigt nur höchst ungern unter 2000 m herab. In Tibet und in der Mon-
golei ist er eins der gemeineren Hausthiere, aber auch im zahmen Zustande
noch immer eigensinnig und reizbar. Er dient sowohl zum Pflügen. Reiten,
Lasttragen, besonders bei Gebirgspassagen, wie als Milch- und Schlachtvieh.
Auch durch seine grobe Wolle (jährlich eine Schur) wird er nützlich. Sommer
und Winter lebt er ohne Pflege, ohne Stallung ganz im Freien. Man hat
neuerdings (seit 1861) Bastarde zwischen Jak und unserem europäischen Rinde
in den Gebirgsgegenden von Frankreich zu acclimatisieren versucht.
Unter den übrigen gezähmten Wiederkäuern sind das Kamel und die
Lama arten Südamerikas als Nahrung spendende, Wolle gebende und Lasten
bewegende Thiere dem Menschen nützlich. Lange Zeit war das einhöckerige
Kamel (Camelus dromedarius Erxl.) nur in Vorderasien heimisch, und
niemals sieht man es aus ägyptischen Denkmälern dargestellt; erst durch den
Einbruch der Araber scheint es über ganz Nordasrika bis südlich zum Niger
verbreitet zu sein. Es hat eine neue Periode für die Geschichte dieses Erd-
theils eingeleitet. Ostwärts reicht sein Verbreitungsbezirk bis nach Dekan
und Turan. Seit einigen Jahren ist dasselbe in Amerika und zwar in
Californien und ebenfalls in Australien eingeführt. Für den letzten Erdtheil
könnte es von Bedeutung werden, in Amerika wird die Anlage der großen
Eisenbahnen durch die Coloradowüste nach Californien seine Dienste hier
überflüssig machen. Man unterscheidet in Asien und Afrika Reit- und Last-
kamele: Das erstere (in Aegypten Hadjin genannt) steht zwar an Schnellig-
keit einem guten Vollblutpferde nach, übertrifft es aber bei weitem an Aus-
dauer und an confequenter Einhaltung einer mäßig schnellen Gangart; man
kann bei guten Thieren auf eine durchschnittliche Schnelligkeit von zwei Meilen
in der Stunde rechnen. Das Lastkamel, langsameren Ganges, trägt nur
150—200 Kilogr. Das zweibuckelige Kamel (Camelus bactrianus Erxl.) hat
seine Heimat nicht im alten Baktrien, sondern in den Steppen zwischen dem
Sir Darja und dem Amu Darja und ist von da westwärts bis zur Wolga,
ostwärts durch die Mongolei bis nach China verbreitet. Nördlich reicht es
bis ins südliche Sibirien. Man hat es zur Acclimatisation in den Alpen und
Pyrenäen empfohlen. — Die Lamas sind in den hohen Bergregionen der
Anden zum Transportieren der Erze noch unentbehrlich; in den tieferen Regionen
sind sie durch das Maulthier verdrängt.
Von geweihtragenden Wiederkäuern ist nur das Renthier und zwar
auch nur in der alten Welt gezähmt, wo es die Polarzone bewohnbar macht
und dem Menschen sast alle Bedürfnisse befriedigt. In Nordamerika hat man
es zu zähmen nicht verstanden, und daraus erklärt sich der Gegensatz der
Armut, Noth und Wildheit der Eskimos und nördlichen Jndianerstämme gegen-
über dem behaglicheren und friedlicheren Dasein der Polarvölker der alten Welt.
Das Pferd, welches ebenfalls nur noch im gezähmten oder höchstens
halbverwilderten Zustande bekannt ist, hat seine Heimat in Centralasien und
ist von dort durch die Arier bis nach Ostindien und Europa verbreitet. Iii
Asien wird es in erster Linie als Milch und Fleisch spendendes Thier benutzt,
aber zugleich macht man auch von seiner Kraft und Schnelligkeit Gebrauch,
und diese letzten beiden Eigenschaften haben es dort hausenden Horden möglich
gemacht, von Zeit zu Zeit in großartigen Völkerstürmen über die Nachbarländer
hin bis in weite Fernen zu brausen. In dieser seiner Eigenschaft als Gehülfe
und Gesellschafter des Menschen und als das am sorgfältigsten behandelte,
werthvollste Hausthier ist denn das Pferd von seiner Heimat aus über alle