Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

Die Zeiten Luthers und Karls V. 
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Schriften und gelehrten Abhandlungen mit grosser Lebhaftigkeit 
und Schärfe geführt wurde, stellte sich zuerst die Mehrheit der 
Reichsstädte auf die Seite Luthers. Nürnberg, wo Hans 
Sachs ihn als die „wittenbergische Nachtigall“ begrüsste, Augs¬ 
burg, Strassburg, Bremen, Breslau, Erfurt, Magdeburg führten 
alsbald die neue Lehre in ihren Mauern ein. 
In den süddeutschen Städten und der benachbarten Schweiz 
arbeitete ihr eine verwandte Bewegung in die Hand, welche 
von Huldreich Zwingli, geboren 1484 zu AVildhaus1) in der 
Grafschaft Toggenburg2), ausging. Auch er betrachtete die 
Bibel als alleinige Glaubensquelle, beseitigte aber die über¬ 
kommenen Einrichtungen viel gründlicher, verfuhr viel rationa¬ 
listischer als Luther, den er durch die karge, erbarmungslos 
folgerichtige Nüchternheit seiner Denkweise von sich abstiess. 
Als daher der Landgraf Philipp von Hessen, ein Freund der neuen 
Lehre, 1529 auf seinem Schlosse zu Marburg eine Zusammen¬ 
kunft beider Männer veranstaltete, um durch ein Religions- 
gespräch eine Verständigung zwischen ihnen über abweichende 
Ansichten und damit ein gemeinsames Handeln der beiderseitigen 
Anhänger zu erzielen, blieb sein Bemühen erfolglos. Luther wies 
schroff jede Gemeinsamkeit mit einem Theologen zurück, der 
die Worte der Einsetzung des Heiligen Abendmahles: „das ist 
mein Leib“, „das ist mein Blut“ nicht nach ihrem Buchstaben 
auffassen, sondern symbolisch (= das bedeutet) verstanden 
haben wollte. 
Auch erstrebte Zwingli neben seinen kirchlichen Neuerungen 
noch die Beseitigung gewisser Missbräuche in den staatlichen 
Zuständen seiner Heimat. Vor allem bekämpfte er die Reis- 
läuferei3), d. h. die Unsitte, wonach zahlreiche Schweizer 
Landeskinder gemäss den Verträgen, die ihre Kantonsregierungen 
um Geld mit auswärtigen Staaten abschlossen, von den letzteren 
zur Führung ihrer Kriege als Landsknechte angeworben wurden 
und für fremde Machtgelüste ihr Blut und Leben einsetzten. 
Zuerst gewann Zwingli den Rat der Stadt Zürich, wohin 
er 1519 als Leutpriester4) am grossen Münster berufen wurde, 
für seine Ansichten. Nach mannigfachen Kämpfen siegten diese 
auch in den Kantonen Basel, Bern, Glarus, Appenzell, Grau¬ 
bünden und St. Gallen und fassten auch in Ulm, Reutlingen, 
Konstanz und ändern Orten Süddeutschlands festen Fuss. 
Dagegen widersetzten sich die sogenannten Fünforte Schwyz, 
x) Am Südabhang des Sentis. 
2) = der südwestliche Teil des Kantons St. Gallen. 
3) Altdeutsch bedeutet das Wort Reise: Kriegszug. 
4) — Weltpriester, im Gegensatz zu den Ordensgeistlichen.
	        
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