— 5
stand zu Worms. An seinem Hofe lebten noch seine ritterlichen
Brüder Gernot und Gifelher, seine alte Mutter Ute und seine
liebliche Schwester Kriemhild. Unter seinen Rittern ragte der
grimmige und finstere Hagen von Tronje hervor. Als Siegfried
die Schönheit der Kriemhild preisen hörte, beschloß er, um ihre
Hand anzuhalten. Mit zwölf kühnen Recken zog er den Rhein
aufwärts. Stolz ritt er in die Königsburg zu Worms ein. Alle
staunten den Fremdling an; doch keiner kannte ihn. Nur der
weitgereiste Hagen meinte: „Das kann nur der Held Siegfried
aus Niederland sein." Nun eilte der König schnell in den Hos
und begrüßte den Ankömmling freundlich. Bald fanden die
Helden aneinander großes Wohlgefallen. Sie unternahmen Jagd-
züge in die nahen Wälder und ergötzten sich an allerhand ftöh-
liehen Kampfspielen, aus denen Siegfried meistens als Sieger
hervorging. So verfloß ein Jahr. Aber die schöne Kriemhild
hatte der Königssohn aus Niederland noch nicht zu sehen be-
kommen. Da drang eine böse Kunde nach Worms. Die Sachsen
und Dänen waren in das Land eingefallen und hatten in den
eroberten Strichen schrecklich gehaust. Sofort brachen die Bur-
gunder auf, um die Feinde zu strafen. Es kam zu einem er-
bitterten Kampfe, in dem die Burgunder Sieger blieben. Siegfried
zeichnete sich besonders aus, er nahm die beiden Könige gefangen.
Ein Bote brachte die Siegesbotschaft nach Worms. Als Kriemhild
die Nachricht erfuhr, wurde sie hoch erfreut und konnte die Rück-
kehr der Helden kaum erwarten. Endlich zogen fie mit den Ge-
fangenen und der reichen Beute in der Burg ein. Nun wurde
ein großes Siegesfest veranstaltet, das zwölf Tage dauerte. Reich
geschmückt erschien auch Kriemhild aus dem Platze und begrüßte
den Helden. Siegfried aber konnte keinen Blick von der Herr-
lichen Jungfrau wenden; sie erschien ihm wie der milde Vollmond,
der leuchtend seine Bahn vor den Sternen zieht.
4. Wie Gunther um Brunhild warb.
Ienseit des Meeres, auf Isenland, herrschte die schöne
Komgm Brunhild. Wer sie zur Frau begehrte, der mußte sie
im Speerwerfen, Steinschleudern und Springen besiegen. Unterlag
er aber im Kampfe, so verlor er das Leben. Schon mancher Ritter
hatte seine Kühnheit mit dem Tode bezahlen müssen, aber immer
neue Bewerber lockte die Schönheit der jungen Königin herbei.
Auch Gunther beschloß, um Brunhild zu werben. Allein wagte
er jedoch den Kamps nicht auszusechten,' er bat deshalb (Sieg-
sriei), ihm behilflich zu fein. Zugleich versprach er ihm die Hand
femer Schwester Kriemhild. Der junge Held willigte ein. Nun
wurde ein Schiff ausgerüstet; mit gutem Winde fuhr es rheinab-
warts in das Meer. Am zwölften Tage tauchte aus den Fluten