6o
Die Meteorite.
ihre Geschwindigkeit 30 bis 40 km in der Sekunde. Spo¬
radisch erscheinen einzelne Sternschnuppen in jeder Nacht
an allen Orten des Himmels, am häufigsten in den Frühstunden
von 2 bis 3 Uhr morgens, weil wir dann den Teil des Himmels
über uns haben, nach welchem sich die Erde hinbewegt.
Viel auffallender sind die periodisch wiederkehrenden
Sternschnuppenschwärme, die zu Zeiten ein prächtiges
Schauspiel gewähren. Besonders ausgezeichnet ist der Lauren-
tiusschwarm vom 10. bis 12. August (sogenannt nach dem
Kalenderheiligen vom 10. Aug.), alle einzelnen Sternschnuppen
desselben scheinen aus einem Punkte, den man ihren
Radiationspunkt nennt, des Sternbildes Perseus zu kommen,
sie führen daher auch den Namen der Perseiden; ihre Zahl
schwankt übrigens in den einzelnen Jahren, doch ist der
Unterschied nicht sehr erheblich. Glänzender noch ist die Er¬
scheinung des Novemberschwarmes vom 11. bis 14. November,
der von seinem Radiationspunkt im Löwen den Namen der
Leoniden erhalten hat. Die höchste Pracht und Fülle ent¬
faltet derselbe alle 33 bis 34 Jahre; zuerst wurde er im Jahre
1799 von Humboldt und Bonpland an der Küste von Vene¬
zuela beobachtet, 1833 und 1866 erschien er ebenso glänzend
wieder, in Berlin zählte man z B. um 2 Uhr früh in jeder
Minute 55 Sternschnuppen.
Ein innerer Zusammenhang zwischen diesen Stern¬
schnuppenschwärmen und bestimmten Kometen ist
durch die Untersuchungen von Leverrier, Schiaparelli u. a.
festgestellt. Die Bahnelemente der Perseiden stimmen merk¬
würdig mit denen des Kometen III 1862, der Leoniden mit
denen des Kometen I 1866, des kleineren Aprilschwarms
(19—23 April) mit denen des Kometen I 1861 überein, und
der dichte Sternschnuppenregen vom 27. November 1872, der
sich 13 Jahre später wiederholte, hat sicher seinen Grund
darin, dass die Erde beide Mal an diesen Tagen die eine Hälfte
des Bielaschen Kometen (§ 30) durchquert hat.
Danach hält man jetzt allgemein, nachdem Chladni schon
im Jahre 1794 zuerst diese Ansicht ausgesprochen hatte, die
Sternschnuppen so gut wie die Feuerkugeln, von denen sie
generell nicht verschieden sind, da allmähliche Übergänge
zwischen ihnen vorkommen, für kosmischen Ursprungs.
Die sporadischen Sternschnuppen entstehen, wenn kleinste
kosmische Partikeln vielleicht nur von wenigen Gramm Ge¬
wicht, die überall in unserem Sonnensystem umherkreisen, in
die Atmosphäre der Erde gelangen und hier sich erhitzend
und in Gas verwandelnd aufleuchten; die Sternschnuppen¬
schwärme dagegen verdanken einem Ring kosmischer Materie,
in den ein Komet sich ganz oder teilweise aufgelöst hat, ihren
Ursprung; schneidet nämlich die Erde diesen Ring, so dringen