fullscreen: Hohenzollerisches Lesebuch für katholische Volksschulen

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landeinwärts her viele arme Leute nach Kolberg, die ihre hungrigen 
Kinderchen auf Schiebkarren mit sich brachten/ um Korn von hier 
zu holen, weil man Getreideschiffe in unserm Hafen erwartete, die 
der grausamen Not steuern sollten. Alle Straßen bei uns lagen 
voll von diesen unglücklichen Menschen. Meine Großmutter, bei 
der ich erzogen ward, ließ täglich mehrere Körbe voll Grünkohl 
in ihrem Garten pflücken, kochte einen Topf voll nach dein andern 
für unsere verschmachtenden Gäste, und mir ward das gern über¬ 
nommene Ehrenämtchen zu teil, ihnen diese Speise in kleinen 
Schüsseln nebst einer Brotschnitte zuzutragen. Da rissen mir denn 
Alte und Junge meinen Napf begierig aus der Hand oder auch 
wohl unter einander sich vor den: Munde weg. Ich kann nicht 
aussprechen, welch einen schauderhaften Eindruck diese Szene aus 
meine kindliche Seele machte. 
_ Im nächsten Jahre erhielt Kolberg aus des Großen Friedrich 
vorsorgender Güte ein Geschenk, das damals hier zu Lande noch 
völlig unbekannt war. Ein großer Frachtwagen voll Kartoffeln 
langte auf dem Markte an, und nach Trommelschlag erging die 
Bekanntmachung, daß jeder Gartenbesitzer sich zu einer bestimmten 
Zeit vor dem Rathause einfinden solle, indem des Königs Majestät 
ihnen eine besondere Wohltat zugedacht habe. Man ermißt leicht, 
wie alles und jedes in eine stürmische Bewegung geriet, und das 
um so mehr, je weniger man wußte, was es mit diesem Geschenke 
zu bedeuten habe. Die Herren vom Rate zeigten nunmehr der 
versammelten Menge die neue Frucht vor, die hier noch nie ein 
menschliches Auge erblickt hatte. Danebeu wurde eine umständliche 
Anweisung verlesen, wie diese Kartoffeln gepflanzt und bewirtschaftet, 
desgleichen, wie sie gekocht und zubereitet werden sollten. Besser 
freilich wäre es gewesen, wenn man eine solche geschriebene oder- 
gedruckte Anweisung gleich mit verteilt hätte; denn nun achteten 
im Getümmel die wenigsten auf die Vorlesung. Dagegen nahmen 
die guten Leute die hochgepriesenen Knollen verwundert in die 
Hände, rochen, schmeckten und leckten daran; kopfschüttelnd bot sie 
ein Nachbar dem andern; man brach sie von einander und warf 
sie den Hunden vor, die daran herumschnoberten und sie gleichfalls 
verschmähten. Nun war ihnen das Urteil gesprochen. „Die Dinger," 
hieß es, „riechen nicht und schmecken nicht, und nicht einmal die 
Hunde mögen sie fressen. Was wäre uns damit geholfen?" Am 
allgemeinsten war dabei der Glaube, daß sie zu Bäumen heran¬ 
wüchsen, von welchen inan zu seiner Zeit ähnliche Früchte herab¬ 
schüttele. Alles dies ward auf dem Markte, dicht vor meiner Eltern 
Tür, verhandelt, gab auch mir genug zu denken und zu verwundern 
und hat sich darum auch in meinem Gedächtnis erhalten. In¬ 
zwischen ward des Königs Wille vollzogen und seine Segensgabe 
unter die anwesenden Garteneigentümer nach Verhältnis ihrer 
Besitzungen ausgeteilt, jedoch so, daß auch die geringern nicht unter- 
einigen Metzen ausgingen. Kaum irgend jemand hatte die erteilte
	        
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