186
Tie deutschen Kolonien.
für seine Jndustrieprodukte sowie zur Erzeugung der für feine Industrie erforder¬
lichen Rohstoffe.
An dem Umfang des überseeischen Verkehrs und der Handelsschiffahrt
gemessen, ist das Deutsche Reich nächst England geradezu das kolonial-
bedürftigste Land der ganzen Erde.
1). Die Mesthungen der fremden Kolonialmächte im Vergleich
zu den deutschen Kolonien.
Tie größte europäische Kolonialmacht ist England. Seine sämtlichen Außen-
befitznngen umfassen sast 29 Mill. qkm, d. t. fast die dreifache Größe Europas und
360 Mill. Einw., d. i. rund 1/i aller Menschen der Erde. Dazu besteht das Bestreben,
den gesamten britischen Besitz zu einem wirtschaftlich einheitlichen Reiche zu verschmelzen,
aus Great Britain (Großbritannien) ein Greater Britain (Größer - Britannien)
zu machen.
Den wertvollsten Besitz Englands bildet das Kaiserreich Indien. Mit leinen
fast 300 Mill. Einwohnern spielt es im englischen Außenhandel mit die hervorragendste
Rolle. Freilich ist und bleibt Indien auch die empfindlichste Stelle des englischen
Kolonialbesitzes; denn trotz vieler segensreichen Neuerungen des englischen Regiments
will dort das Gefühl, von den Fremden ausgebeutet zu werden, nicht weichen.
Von größter Bedeutung für England sind serner, da für Ackerbau und
Auswanderuug geeignet, Britifch-Nordamerika, Südafrika und Australiern
Ganz besonders erfolgreich war England in den letzten Jahrzehnten in Afrika,
namentlich im Osten dieses Erdteils. Ägypten ist wenigstens tatsächlich im Besitze
Englands, damit zugleich der Suezkanal, die wichtigste Zngangsstraße nach Indien;
der portugiesische Besitz ist handelspolitisch ebenfalls nur ein Zubehör Englands; sonach
ist die von dem Engländer Ceeil Rhodes ausgegebene Losung „Afrika englisch vom
Kap bis Kairo" beinahe verwirklicht. Einzig Dentsch-Ostasrika unterbricht hier den
Zusammenhang des englischen Gebietes.
Vorzüglich haben die Engländer es endlich verstanden, Stützpunkte ihres Handels
und ihrer Seemacht zu erwerben, so Gibraltar, Malta, Aden, Singap0re,
St. Helena, die Bermudas-Juselu u. s. w.
Die wertvollen Kolonien an der Ostküste Nordamerikas, die heutigen Bereinigten
Staaten von Amerika, gingen England dnrch Abfall 1776 verloren.
Den zweiten Platz unter den Kolonialmächten Europas nimmt Frankreich
ein, freilich erst in weitem Abstände von England. Zwar hatte Frankreich schon im
18. Jahrhundert ansehnliche Kolonialgebiete erworben, so in Amerika Unterkanada und
Landstriche am Mississippi, in Asien Teile von Ostindien. Es hat sie indes fast alle
noch im gleichen Jahrhundert im Kampse mit England eingebüßt.
Die zweite Kolonialperiode Frankreichs beginnt mit der Eroberung Alschiers^ seit
1830. Es hat seither sast den ganzen Nordwesten Afrikas an fich gebracht. Ins-
besondere find Algerien und Tunis unter der französischen Verwaltung Länder mit
blühendem Wohlstande geworden; zudem bilden sie durch ihre Lage eine zweifellose
Stärkung der französischen Machtstellung im Mittelmeer. — Das zweite Kolonial-
Hauptgebiet Frankreichs ist Französisch-Hinterindien, ein Reich von der doppelten
Größe Preußens mit 18 Mill. Einw.; dazu kommt die große Insel Madagaskar. Der
gesamte Kolonialbesitz Frankreichs ist etwa 20 mal so groß wie das Mutterland^und über-
trifft dieses auch bedeutend in seiner Bevölkerungszahl; es zählt 50 Will. Einwohner.