Full text: Erdkunde für höhere Schulen

III. Das Norddeutsche Tiefland. 24& 
Lüneburg und Stade trifft man Gipslager und Salzquellen, und die Tief- 
bohrnngen um Celle haben ansehnliche Petroleumlager erschlossen, deren Aus¬ 
dehnung bis gegen Holstein vermutet wird, so daß hier vielleicht noch ein „deutsches 
Pennsylvanien" erblüht. Infolge der geringen Ertragfähigkeit des Bodens be- 
stehen die Siedelungen der Heide meist in Einzelhöfen und kleinen Dörfern. 
Die Bevölkerungsdichte bleibt streckenweise sogar unter 20 Einw. aus 1 qkm. 
Politisch gehört das Moor- und Geestland zur preußischen Provinz 
H a n n o v e r und zum G r o ß h e r z o g t u m Oldenburg. 
Die größeren Ortschaften, alle zur Provinz Hannover gehörig, liegen meist 
am Rande der Heide: an der Aller Celle und Verden, gegen die Elbe hin 
Lüneburg, Harburg, Stade, zwischen Weser und Ems Oldenburg, die 
Hauptstadt des Großherzogtums Oldenburg, und Aurich (in Hannover). 
Landschaftliches. Die eigenartige, wenngleich herbe Schönheit der Heide 
wie des Moores findet immer zahlreichere Verehrer. Dichter und Dichterinnen 
preisen deren eigenartige Reize, so Annette v. Droste, Theodor Storm, Martin 
Greif, Klaus Groth, Hermann Allmers u. a., Künstler suchen vielfach dort ihre 
Motive und Vorwürfe (die Malerschule zu Worpswede), und zur Blütezeit bringen 
Vergnügungszüge aus den umliegenden Großstädten Tausende von Naturfreunden 
in diese Landschaft. 
4. Das Marschland. 
Verbreitung, Bodenbefchaffenheit und Entstehung. Längs 
der Küste und den Flußmündungen ziehen die Marschen hin, ein vollkommen 
flaches, baumlofes Gebiet, dessen Boden aus seinstem Tonschlamm (Schlick, Silt), 
>sand und massenhaften Resten von Meerestieren (bis zu 50 °/0) besteht. Sie 
sind ein Anschwemmungsland der Flüsse und des Meeres, die ihre Sedimente 
hinter dem durch Sturmfluten zertrümmerten Dünenwall absetzten. Daher liegt 
die Marsch nur wenig höher als das Meer. Vor der Flut muß sie durch Dämme, 
Deiche genannt, geschützt werden. Allmühlich werden die Deiche, die mitunter 
mehrere Meter hoch sind, weiter gegen das Watt vorgeschoben und dadurch 
neues Marschland gewonnen. Durch zahlreiche Kanäle wird das allzureichliche 
Wasser der Marschen abgeführt. Die Schleusen derselben, Siele geheißen, 
dienen dazu, dem sich ansammelnden Wasser während der Ebbe den Ausfluß zu 
gestatten, ihm aber bei der Flut das Eindringen zu verwehren; denn die ein- 
gedeichten Marschen liegen zur Flutzeit unter dem Spiegel des Meeres und 
der angrenzenden Flüsse. 
Erzeugnisse. Dank ihrem milden Seeklima eignen sich die Marschen am 
besten zu Weideland, weshalb sie denn auch das trefflichste Mastvieh und gute 
Pserde liefern. Aber auch Acker- und Gartenbau lohnen reichlich; bekannt 
sind die Vierlande bei Hamburg durch ihren Gemüsebau und ihre Blumen- 
zucht, das Alte Land durch seine Obsthaine. Die Marschen sind überhaupt 
von unerschöpflicher Fruchtbarkeit. 
Begreiflicherweise wächst daher die Bevölkerungsdichte mit der Annäherung 
an das Meer, die Marsch ist mit Einödhöfen und Dörfern überfät, man rechnet 
(ohne die Bevölkerung der großen Seestädte) 60 Einw. auf 1 qkm, was bei dem 
Mangel jedwelcher Industrie beträchtlich erscheint. 
Fischer-G eistbeck, Erdkunde für höhere Schulen. Gesamtausgabe. 17
	        
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