46 Deutsch-Ostafrika.
ergebener Völker, die von Norden und von Süden in die wehrlose Menge
der Ackerbauer Ostafrikas eingebrochen sind. Solche Invasionen haben das
Eigentümliche, eine Zeitlang lawinenartig zn wachsen, da sie Stämme, aus
die sie stoßen, in ihren Strom mit aufnehmen und aus dem Znstande sried-
licher Seßhaftigkeit wieder hineinziehen in den Strudel kriegerischen Wander-
lebens. Dieser Vorgang ist deutlich erkennbar an den von Süden in das
jetzige Dentsch-Ostafrika eingedrungenen Mafiti. Ihren Kern muß man für
nahe Verwandte der Sulus halten; au ihn aber haben sich zwischen Rovuma,
Nyassa und Rnsiyi eine Reihe älter hier heimischer Stämme (z. V. die Ma-
henge) angeschlossen, gelockt durch das znr Nachahmung reizende Beispiel
gewinnbringender Kriegserfolge. Nur dadurch wird das weite Gebiet erklär-
lich, das die Mafiti nicht nur beherrschen, sondern auch mit ihren unstäten
Siedeluugen erfüllen. Eine ähnliche Wachstumsfähigkeit haben vorübergehend
die Wahehe bewährt, augenscheinlich nahe Verwandte der Mafiti. Am weitesten
nordwärts drang von diesen den Sulu nahestehenden Völkern der von den
Mafiti abgezweigte Stamm der Watnta, die jahrelang ganz Unyamwesii in
Schrecken hielten, bis sie in Ugomba sich dauernd niederließen. Die Schnellig-
keit, mit der diese abgehärteten Kriegerstämme weite Strecken zurücklegen und
überraschend an einem ungeschützten Punkte auftreten, die Geschicklichkeit, mit
der sie den Vorteil gedeckter Annäherung in mehr als mannshohem Steppen-
grase auszunutzen wissen für die überraschende Wirkung ihrer snrchtbaren
Speere, und die ungestüme Tapferkeit im Einzelkamps machen Mafiti und
Wahehe zu gefährlichen Gegnern felbst für vorzüglich bewaffnete und um-
sichtig geführte Abteilungen der Schutztruppe. Weit verschieden von diesen
Stämmen und uie in freundlicher Berührung mit ihnen sind die Nomaden,
die von Norden her bis in die Mitte Deutsch-Ostasrikas sich vorschoben: die
Massai. Längs des großen Grabens des abflußlosen Gebietes sind sie trotz
ihrer anscheinend nicht sonderlich starken Kopszahl wie ein kräftiger Keil bis
zum 6.° 8. eingedrungen in die Masse der Bantu-Völker, dereu nördlichste
Vertreter nicht nur am Nordufer des Victoria-Sees, sondern auch am Kenia
über den Äquator hinausreichen. Die Körperbeschaffenheit (schokoladenbraune
Haut, spitzes, vorstehendes Kinn, schmale Lippen, schmale, bisweilen spitze
Nase, lang geschlitzte, horizontal gestellte Augen, feineres Haar) trennt die
Massai so auffallend von den Bantn-Negern, daß man sür ihre verwandt-
schastliche Stellung in nördlicheren Gegenden Anschluß suchen mußte. Das
Studium der erkundeten Sprachproben führte zu der Einsicht ihres Zusammen-
hauges mit der nilotischen Völkergruppe (Shilluk und Bari). Körperlich aber
stehen sie in vielen Punkten den hanntischen Nachbarvölkern näher. Sie
treiben in stammweise beschränkten Weiderevieren nomadisierend Viehzucht
und mehrten ihre Rinderherden durch Raubzüge in das Gebiet der Um-
wohner mit so nachdrücklichem Erfolge, daß manchen einst viehreichen Bantu-
Stämmen nur wenige Stück noch übrig blieben. In den letzten Jahren
hat eine verheerende Seuche den Rinderbestand der Massai sehr bedeutend
vermindert. Sie sangen nun au, der Kleiuviehzucht mehr Beachtung als
früher zu schenken. Jedenfalls ist die Minderung ihrer einst ringsum