Full text: Die Schutzgebiete des deutschen Reiches

Deutsch-Südwest-Afrika. 49 
Trekk-Buren im nördlichen Dainara-Gebiet zu landen. Vergebens! Die 
Küste erschien überall unnahbar. Selbst an Walfischbai und Sandwichhafen 
ist schon mancher, der sie suchte, vorbeigefahren. Am besten kenntlich ist die 
Lage von Angra Pequena, etwa in der Mitte der Küstenstrecke, vor welcher 
zwischen 24° 37' und 28° S. die afrikanischen Guano-Inseln liegen— kleine 
Felseilande, bedeckt mit Vögelscharen, denen der Fischreichtnm des kalten 
Stromes reiche Nahrung sichert. Umweht von einer empfindlich kühlen Brise 
kann der Reisende hier, wenn der Kopf eines Seehundes oder gar der Rücken 
eines Wales aus den Finten auftaucht, sich leichter an die Vogelberge des 
Polarkreises erinnert suhlen, als an die Nähe der Tropengrenze. Nur Guano- 
Gewinnung (April bis August), Robbenschlag und Fischfang belebten zeitweise 
die kleinen, meist unsicheren Buchten hinter diesen Inseln. Ihr ansehnlicher 
Ertrag, der in guten Jahren auf 300 000 Mark Reingewinn sich steigern 
soll, galt lange für deu einzigen Vorzug dieser Küste, deu die Bewohner der 
Kapstadt regelmäßiger Ausbeutung wert hielten. Die Häfen des Festlandes 
waren entweder, wie Sandwichhafen, durch die wechselnden Sandbänke und 
die fortschreitende Verwehung mit Dünensand unbequem und bedrohlich für 
die Schiffahrt oder, wie Walsischbai und Angra Pequena, abschreckend durch 
völligeu Mangel an Trinkwasser. Nur in der Walfischbai, für welche die 
Verbindung mit dein Hinterland weniger schwierig ist, entwickelte sich ein 
bescheidener Handelsbetrieb, besonders lohnend in der Zeit, als das Innere 
noch ein reicher Jagdgruud war, dessen Beute die Zahlung sicherte für die 
eingeführten Waren. Dennoch schritt die Kapkolonie erst 1878 zur politischen 
Besitzergreifung dieser Bucht uud entschied sich, nach einem vorübergehenden 
Anlauf zur Aneignung des Hinterlandes, 1880 ausdrücklich dafür, ihre Herr- 
schast auf diese Bucht zu beschränken. 
Für diese Genügsamkeit war wohl ein Hauptgrund die Abneigung, 
durch eine Schutzherrschaft des Innern zu Anstrengungen für die Wieder- 
Herstellung der Ordnung im Lande genötigt zu werden oder gar eine Ver- 
antwortung zu übernehmen für die Sicherheit der dort bereits ansässigen 
Europäer, namentlich der deutschen Missionare. Seit 1842 war die rheinische 
Missionsgesellschaft unter den schwierigsten Verhältnissen in Südwest-Afrika 
thätig, die ersten Keime der Gesittung unter den Eingeborenen zu pflanzen 
und diese Keime selbst in den wildesten Kämpfen vor völligem Untergange 
zu bewahren. Wohl habeil auch ihre Glaubensboten, die für die Erfor- 
schnng des Landes, für das Verständnis der Sprachen und der Denkart 
seiner Völker mehr geleistet hatten als alle die Reisenden, welche Forschuugs- 
drang oder Abenteuerlust in dies dürre Land führten, lange unter dem Drnck 
des Gedankens gestanden, daß die Ernte ihrer Kulturarbeit für ein anderes 
Volk reife. Wie ein Lohn ihres treuen Wirkens nimmt es sich aus, daß 
das Schicksal es anders fügte. Im Frühjahr 1893 erwarb der Bremer 
Handelsherr Adolf Lüderitz das Küstengebiet von Angra Pequena, im August 
beu ganzen Küstenstreifen vom Orange-Fluß bis 26.° 8. in 20 geogr. Meilen 
Breite. Am 24. April 1884 erklärte eine telegraphische Anweisung des 
Reichskanzlers an ben Konsul in der Kapstadt, daß diese Erwerbungen unter 
Partsch, Schutzgebiete. 4
	        
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