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2. Hls die lieben kleinen Schwalben
wundervoll ihr IMt gebaut,
hab ich stundenlang am seniler
heimlich sinnend zugeschaut.
3. Qnd wie erst Tie eingerichtet
und bewohnt das kleine I)aus,
haben Tie nach mir geichauet
gar verständig klug hinaus.
4. Ja, es schien, sie hätten gerne
manches heimlich mir erzählt,
und es habe sie betrübet,
was zur Rede noch gefehlt. —
5. Sieh doch hin! Die beiden Riten
bringen ihnen Dabrun g dar.
Gibt es Süßeres auf Grden
als ein solches Schwalbenpaar?
38. Das Sperlingskind. Von Gustav Freytag.
Erinnerungen aus meinem Leben, Gesammelte Werke. 1. Band. Leipzig 1896. S. 36.
Im Pastorgarten zu Kreuzburg sah ich vor mir auf der Erde etwas
Nacktes, ein Sperlingskind, das aus dem Neste gefallen war. Ich
hob es auf, und als ich sein Herzchen zucken fühlte, wurde mir
weh zumute, und ich trug es, selbst zitternd und in Tränen, nach
Hause. Die Mutter verfertigte ein Nest aus Watte, kochte ein Ei
und brachte etwas von dem zerhackten Inhalte mit einem Federkiel
in den Schnabel des winzigen Geschöpfes. Dies gewann neuen
Lebensmut und wurde durch fortgesetzte richtige Behandlung dem
irdischen Dasein erhalten. Ich aber empfand einen glückseligen
Schauer, als ich ihm selbst die Nahrung eingeben durfte und beob¬
achtete, wie sich allmählich der nackte Leib mit Flaum und kleinen
Kielen bekleidete,
Matz wuchs und erhielt sein Federkleid; er flatterte mir auf
den Kopf, saß auf meiner Schulter und wurde bald mein vertrauter
Geselle, der alle Scheu verlor und in der Stube den ganzen Tag
um mich herumhüpfte.
Als er ziemlich herangewachsen war, mahnte die Mutter, den
Kleinen wieder ins Freie zu bringen. Ich trug ihn traurig in den
Pastorgarten und setzte ihn auf einen Baum. Dort aber duckte er
sich kläglich zusammen und fand bei dem Spatzenvolke des Gartens
schlechten Willkommen; denn dies wilde Gesindlein kam heran¬
geflogen und schrie so zornig gegen mein armes Findelkind, daß
dieses entsetzt immer wieder zu mir zurückflog. Endlich wurde
beschlossen, daß ich den Vogel behalten durfte, und ich trug ihn
seelenvergnügt in unsre Stube zurück. Dort blieb er den ganzen
Sommer mein Spielkamerad.
Aber im Winter erreichte ihn das Schicksal. Durch einen Spalt
der Tür sprang die Katze des Nachbarn herein. Matz war im Nu in
ihren Krallen und gemeuchelt. Ich stürzte auf die Mörderin zu —
noch jetzt sehe ich ihre wilden Augen — und entriß ihr den Vogel,
aber er war tot. Das war der erste große Schmerz meines Lebens.