Deutschland im dreizehnten Jahrhundert.
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weniger gut gewappnet waren, aber sich leichter bewegen konnten. Dazu
kam, daß mehr und mehr der Gebrauch von Söldnern aufkam; Lands-
knechte, die man für Geld anwarb, waren den Fürsten eine zuverlässigere
Hilfe, als die ritterlichen Vasallen, welche sich nicht immer bereit finden
ließen, für sie ins Feld zu ziehen. So brach ein neues Zeitalter des
Heerwesens heran; die gewappneten Reiterheere traten zurück, die zu Fuß
kämpfenden Landsknechte bildeten den Kern der Heere.
§ 7*2. Die Reichsverfassung. Wenn das Rittertum im zwölften
und dreizehnten Jahrhundert eine eigenartige und hohe Kultur geschaffen
hat, so war es um den deutschen Staat damals desto trauriger bestellt. Znigtum?.
Die langen, oft wiederholten Kämpfe zwischen Kaiser und Papst, Kaiser
und Fürsten hatten damit geendet, daß das Kaisertum unterlag. Es war
in seiner Macht wesentlich geschwächt; die Herrlichkeit Ottos des Großen,
Konrads II., Friedrich Barbarossas war für die späteren Kaiser unerreich-
bar. Die deutschen Herzöge, Grafen und Bischöfe fühlten sich, obwohl
durch den Lehnseid dem König zur Treue und zum Gehorsam verpflichtet,
mehr als Fürsten denn als Vasallen. Sie führten ihre Reisigen lieber
für ihre eigenen Zwecke ins Feld als im Dienste des Königs; sie ordneten
sich ungern dem königlichen Gericht unter; sie suchten, die königlichen
Befugnisse zu schmälern, und beanspruchten es, in den Angelegenheiten
des Reichs gehört zu werden und auf den Reichstagen darüber zu
beraten. Die Einkünfte der deutschen Könige ferner waren sehr gesunken.
Einst hatten sie über ausgedehnte Krongüter geboten; jetzt waren diese
bis auf geringe Reste als Lehen vergeben und verschleudert. Wer in
Zukunft die deutsche Krone trug, konnte nicht mehr aus das Reichsgut
zählen, sondern mußte ein bedeutendes Familienerbe, eine Hausmacht,
entweder schon besitzen oder zu gewinnen suchen. Zugleich war das Reich
ein Wahlreich geworden. Auch früher hatte der König gewählt werden
müssen, aber man hatte sich doch meist für den Sohn oder nächsten Ver-
wandten des Königs entschieden; jetzt wurde freie Wahl die Regel, und
die Kurfürsten wählten eine Zeitlang mit Vorliebe solche Fürsten zu
Königen, die nicht aus der Familie des Herrschers stammten.
Die Herabminderung der königlichen Macht aber hatte eine Ver-
kümmerung der inneren Einheit und der äußeren Macht des deutschen
Volkes zur Folge. Die Zersplitterung Deutschlands nahm von nun 8*ttes
an fortwährend zu. Die Gebiete der großen Vasallen wurden immer mehr
zu wirklichen Staaten; Fehden und Kriege zwischen den Reichsständen
wurden immer häufiger, und es fehlte der Richter, der schlichtend und $bSebnr
strafend hätte einschreiten können. Auch die äußere Macht des Reiches