Kursus III. Abschnitt III. §§ 121. 122. 199
bestimmt. Der Apennin durchzieht den größten Teil der Halbinsel in einem
großen nach W. geöffneten Bogen, wobei er auf einer weiten Strecke entweder nn-
mittelbar an das adriatische Meer tritt, oder dasselbe in geringer Entfernung
begleitet. Diese Lage des Gebirges ermöglicht die Bildung größerer Ebenen und
Flnßthäler nur im W. (den festländischen Teil ausgenommen); der W. der Halb¬
insel und speziell das die Mitte einnehmende Tibergebiet ist also (im Gegensatz
zu Griechenland) naturgemäß der Ausgangs- und Schwerpunkt der geschichtlichen
Entwickelung geworden.
Die vertikale Gestaltung des Landes durch den Apennin, welcher dasselbe in
eine Anzahl meist kleiner Landschaften gliedert, hat in Verbindung mit der weit-
gedehnten Küste, welche die Bevölkerung mit ihren Interessen vielfach nach außen
hinweist, die Absonderung des italienischen Volkes in viele individuell verschiedene
Stämme und die politische Zersplitterung von jeher begünstigt, dagegen die Be-
gründuug eines Einheitsstaates sehr erschwert.
I. Das italische Festland.
(§ 122.) Die
Italien wird durch den nördlichen Apennin in zwei durch Oberflächeugestal-
hing und landschaftliche Physiognomie verschiedene Abschnitte: das Festland und
die eigentliche Halbinsel geteilt.
Das italische Festland besteht aus den Alpen und dem norditalischen Tief-
lande.
Die Alpen gehören auf der inneren Seite vom tyrrhenischen bis zum adria-
tischen Meere ganz oder teilweise zu Italien. Vom Paß Col di Tenda bis zur
Toee umfaßt Italien die ganze innere, überaus steile Abdachung der Zentralkette
der Alpen, denen auf dieser Strecke die Voralpeu fehlen. Unter den durch
großartige Schönheit ausgezeichneten Flnßthälern dieses Alpengebiets sind die der
Dora Riparia, Dora Baltea und Toce als Alpenpassagen von großer Bedeutung.
Im Thal der Dora Riparia vereinigen sich die Straßen über den Mont Genövre
und Mont Cenis und die Mont Cenisbahn (Seite 196) und ziehen über Susa,
welches diese wichtigen Passagen beherrscht, nach Turin. Im Thal der Dora Baltea,
welche die Gewässer der südlichen Montblancgletscher dem Po zuführt, liegt Aosta im
Vereinigungspunkt der beiden Straßen über den kleinen und den großen St.
Bernhard (Seite 93). Im Thal der Toce endlich, welche einen der schönsten
Wasserfälle in den Alpen bildet, zieht über Domo d'Ossola die Simplon-
straße (Seite 93) zum Lago Maggiore.
Im 0. der Toce beginnt die Zone der südlichen Kalkalpen, welche die nord-
italische Ebene bis zum adriatischeu Meere umsäumen; von dieser Alpenzone ge-
hören nur die Bergamasker und Venetianer Alpen ganz, die andern da-
gegen nur teilweise zu Italien; am tiefsten dringen in italienisches Gebiet ein der
Schweizer Kanton Tessin und Südtirol; dieselben umfassen die Luganer, Tri-
dentiner und Südtiroler Dolomitalpen (Kursus II, § 73) und erreichen
beinahe die Ebene.