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§ 39. Die Griechen des Mutterlandes hatten in den Kämpfen unter
den Nachfolgern Alexanders ihre Freiheit wiedergewonnen. Die Erhebung
des Königs Agis von Sparta gegen Alexander hatte AntiPater durch die
Schlacht bei Megalopolis unterdrückt (330). Der große Feind der Maze-
donier, Demosthenes, hatte zunächst in Athen das größte Ansehen ge-
nossen. Seine Freunde beantragten beim Volk, ihm einen goldenen
Kranz zuzuerkennen, und er erlebte es, daß Äschines, der den Antrag¬
steller wegen Ungesetzlichkeit angeklagt hatte, nach der großen Rede „vom
Kranze", worin er den Antragsteller verteidigte, in Atimie verfiel. Aber er
selbst mußte Athen verlassen, als Harpalns, der Schatzmeister Alexanders,
mit 5000 Talenten, die er unterschlagen hatte, nach Athen kam, um die
Griechen aufzuwiegeln; er geriet in Verdacht, von Harpalns Geld ge-
nommen zu haben, und ging in die Verbannung. Nach Alexanders Tode
kehrte er zurück. Athen nahm an einem Kriege gegen AntiPater teil
(323 bis 322), man schloß ihn in Lamia ein; von seinen Mitfeldherren
befreit, schlug er die Griechen bei Krannon und unterwarf Athen. Darauf
ging Demosthenes nach Kalanria und nahm hier Gift, als er in Gefahr
geriet, den Häschern ausgeliefert zu werden.
Später beobachteten es die Diadochen als politischen Grundsatz,
die Freiheit der griechischen Staaten zu garantieren. Sinope,
Heraklea am Pontns, Byzanz, Cyzikns, Chios, Rhodns wnrdsn freie
Staaten; Rhodns ging der Zeit seiner größten Blüte entgegen. Die
verschiedenen, politischen Neuschöpfungen und Kämpfe haben kein Interesse
mehr für die allgemeine Geschichte.
Die Gegensätze, in denen die Bewohner der einzelnen griechischen
Landschaften Jahrhunderte hindurch gelebt hatten, vermischten sich bei der
Auswanderung in die neu geöffneten Gebiete, Kreter, Atoler, Athener
gab es überall. Nach den Lehren der Stoa ist nicht mehr die Stadt-
gemeinde, sondern die ganze Welt Heimat des Menschen (Kosmo-
politismus). Die Dialekte verschwinden, überall spricht man die allge-
meine Sprache (xoivrj).
Aber Griechenland gilt als das Mutterland der geistigen Kul¬
tur, in der alle leben. Athen bleibt noch lange hinaus die hohe Schule
und der Mittelpunkt; sorgfältig pflegen die Ptolemäer ihre Beziehungen
zu Athen. Die Geschichte Griechenlands wird Gemeingut der Welt.
Alle Staaten erweisen ihm Wohltaten. Seine Orakel und religiösen
Feiern erlangen allgemeines Ansehen; Olympia, Delphi, Samothrake
und vor allen Delos werden für die ganze Welt religiöse Mittelpunkte.
Es gilt für einen Vorzug, Grieche zu sein. Könige und Völker leiten
ihren Ursprung von griechischen Helden her (Römer z. B. wie Juden).
§ 40. Es besteht eine Einheit der Kultur an allen Küsten des
Mittelländischen Meeres, ehe Rom die politische Einheit schafft.