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es sich während der wärmeren Jahreszeit nach den Meeresgegenden hinzieht, 
weil es mit seinem dicken Pelze einer kühleren Atmosphäre bedarf und außer¬ 
dem dort weniger von den Mücken geplagt wird, welche gerade in der Zeit, 
wo die Haare wechseln, sür das Thier eine große Qual sind. Die Ostjaken 
treiben, wie die Samojeden, an der Meeresküste Fischsang, tobten Seehunde, 
Wallrosse, weiße Bären. Doch gehen die wenigsten bis an's Eismeer; die 
andern bleiben aus den nördlichsten Tundren. Die letzteren ziehen sich, so¬ 
bald die Luft kühler wird und die Mücken verschwinden, nach den Wald¬ 
gegenden des östlichen Ural, wo sie Füchse jagen. Mit der ersten Spur 
des Winters brechen auch die am Meer nomadisirenden Ostjaken und Samo¬ 
jeden nach den Waldgegenden aus, hauptsächlich um Schutz gegen die ent¬ 
setzlichen Stürme zu suchen. Die Reise geht in kurzen Tagereisen vor sich, 
man macht oft Halt, um zu jagen. Jedes Geschlecht hält sich zusammen 
und zieht mit seinem Fürsten oder Aeltesten an der Spitze weiter. Gegen 
Ende des Decembers treffen alle diese nomadisirenden Schaaren auf dem 
Markte zu Obdorsk ein. Von Amtswegen müssen sämmtliche Fürsten und 
Aeltesten dort anwesend sein, weil es ihnen obliegt, jeder in seinem Ge¬ 
schlecht die Steuern einzutreiben und Sorge zu tragen, daß alle die Arten 
von Thierfellen, welche man als Steuer festgesetzt hat, in voller Anzahl 
eingehen. Die Steuer besieht in zwei grauen Felsenfuchsfellen sür jede 
Mannsperson, doch kann statt dessen auch anderes Pelzwerk geliefert werden. 
Mit der Ankunft der Ostjaken beginnt ein neues Leben in der kleinen 
Stadt Obdorsk. Täglich strömen neue Schaaren dieser schwerbepelzten 
Söhne und Töchter der Tundra in den Ort, schreiten langsam durch die 
Straßen und schauen die hohen Häuser an. Man sieht es ihnen gar nicht 
an, daß sie gekommen sind, um zu kaufen und zu verkaufen, denn sie brin¬ 
gen ihre Waare nicht auf den Markt. Aber unter ihren weiten Pelzen 
haben sie die schwarzen und blauen Fuchsfelle und andere Pelzkostbarkeiten 
verborgen. Die Käufer schleichen sich mit ihnen zu irgend einem guten 
Freunde, lassen sie von diesem gut bewirthen und schließen dann in aller 
Stille den Handel ab. Der Wilde sieht wohl ein, daß er durch diese 
geheimnißvolle Art des Handels verliert, aber sein zaghaftes Gemüth 
scheut die öffentliche Versteigerung, und dann steht es selten in seinem 
freien Willen, seine Waare an den Meistbietenden zu verkaufen. Unter 
den Tausenden von Eingebornen, die sich jährlich aus weit entlegenen 
Gegenden aus dem Markte von Obdorsk einftnden, sind nur Wenige, die 
nicht bei den Bürgern, Kaufleuten oder Kosaken mit größeren Summen 
verbucht stünden, als sie besitzen. Sollten sie sich nun erdreisten, sich mit 
ihren Waaren an einen Andern als an ihren Gläubiger zu wenden, so 
würde dieser sich nicht scheuen, Besitz von dem ganzen Eigenthum des 
Wilden zu nehmen und ihn selbst obendrein zu seinem Sclaven zu machen. 
In noch schlimmerer Lage sind die armen ostjakischen Fischer am Ob. 
Den Stör und die verschiedenen Lachsarten wagen sie nicht zu genießen, 
denn diese bilden die Handelsartikel; dagegen verzehren sie sammt ihren
	        
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