Object: Lesebuch für die reifere weibliche Jugend

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im allerschnellsten Laufe herumgejagt werden. Ein Wasserguß, 
ein Peitschenschlag, ein Schlückchen nach dem andern sind das 
sicherste Mittel, auch das kunstreichste Maschinenwerk recht schnell 
zu verderben. — 
„Ich heile dich!" tröstet er den Kranken. „Schau dich nur 
einmal in der Apotheke recht um! Dort stehe ich mitten zwischen 
den Arzneimitteln. Sicher helfe ich dir!" 
Können unsre Giftpflanzen nicht mit gleichem Rechte so 
sprechen? Warum hält aber der Apotheker ihren Saft so sorgsam 
verschlossen? Damit mit dem Gifte nicht leichtsinnig umgegangen 
werde und nicht jeder davon bekomme. Nur auf Verordnung 
des Arztes verabreicht er davon. Unser falscher Freund hat es 
verstanden, der Apotheke zu entfliehen. Als Lebenswasser für 
Kranke verschrieben, bewährte er sich seit Jahrhunderten. Heute 
aber, wo er jedermann zugänglich ist, lügt er geradeso wie der 
Teufel, der Eva belog, wenn er sagt: „Ich heile dich!" — 
„Ich mache munter und froh!" verspricht er dem Mutlosen. 
„Hör nur, wie deine Kameraden lachen und singen! Sieh, wie 
sie sich brüderlich umarmen und necken! Ist es nicht eine Lust, 
in ihrer Mitte zu sein?" 
Folge mir einen Augenblick in die Gefängnisse! Frage dort 
die Messerhelden und Totschläger, wer sie hinter Schloß und Riegel 
gebracht habe! Die meisten werden dir mit geballter Faust ant¬ 
worten: „Dieser Lustigmacher, der Branntwein!" — Begleite mich 
in eine Irrenanstalt! Woher kommt's, das; ihre Räume so gefüllt 
sind mit bedauernswerten Geschöpfen? Wiederum lautet die Ant¬ 
wort: „Unser Freudenbringer und Sorgenbrecher, der Branntwein, 
ist schuld daran." Heinrich Droste. 
72. Von frischer Lust. 
Gute Atemluft ist für uns ein ebenso dringendes Lebens¬ 
bedürfnis als richtig gewählte Nahrung. Jeder weiß, daß wir 
beständig Atein holen müssen und ohne Luft schon nach wenigen 
Minuten ersticken würden. Man hat ausgerechnet, daß wir stünd¬ 
lich 375 1, mithin 9000 l Luft täglich durchs Atmen in unsern 
Körper aufnehmen. 
Es ist jedoch nicht gleichgültig, welche Luft wir einatmen. 
Je öfter ein und dieselbe Luft zum Atmen dient, desto ungeeigneter 
wird sie; denn sie erleidet in unsern Lungen eine Veränderung. 
100 Teile frischer Luft bestehen aus 79 Teilen Stickstoff und 
21 Teilen Sauerstoff. Der Sauerstoff verbindet sich in der Lunge 
mit dem Blute, nimmt die schlechten Bestandteile desselben auf 
und bildet sich dadurch zur Kohlensäure um. Diese wird aus¬ 
geatmet und ist ein schädliches Gas, das bei großer Menge sogar 
den Tod herbeiführen kann; es verunreinigt die Luft, und zwar 
um so mehr, je mehr Menschen das Zimmer füllen. Ein er¬ 
wachsener Mensch atmet stündlich ungefähr 20 1 Kohlensäure aus
	        
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