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berstet. Selbst die Menschen dürfen das nicht, denn im Blitze kann
man in Gottes Himmel hineinsehen, aber dieser Anblick kann selbst
die Menschen blenden. Was würde aber nicht uns, den Gewächsen
der Erde, geschehen, wenn wir es wagten, wir, welche doch weit ge¬
ringer sind."
„Weit geringer!" sagte der Buchweizen. „Nun will ich gerade
in Gottes Himmel hinein sehen!" Und er that es in seinem Übermut
und Stolz. Es war, als ob die ganze Welt in Flammen stände, so
blitzte es.
Als das böse Wetter später vorbei war, standen die Blumen und
das Korn in der stillen, reinen Luft fo erfrischt vom Regen, aber
der Buchweizen war vom Blitz kohlschwarz gebrannt; er war nur ein
totes Unkraut auf dem Felde.
Der alte Weidenbaum bewegte seine Zweige im Winde; es fielen
große Wassertropfen von den grünen Blättern, gerade, als ob der
Baum weine, und die Sperlinge fragten: „Weshalb weinst du? Hier
ist es ja fo gesegnet! Siehe, wie die Sonne scheint, siehe, wie die
Wolken ziehen; kannst du den Duft von Blumen und Büschen be¬
merken? Weshalb weinest du, alter Weidenbaum?"
Und der Weidenbaum erzählte vom Stolze des Buchweizens, von
seinem Übermut und der Strafe, die immer folgt. Ich, der die Ge¬
schichte erzählte, habe sie von den Sperlingen gehört! — Sie erzählten
es mir eines Abends, als ich sie um ein Märchen bat.
£?. <Lhr. Andersen.
67. Durchs Kornfeld.
Das ist ein köstlich Wallen,
Durchs hohe Korn zu gehn,
Wenn weit und breit die Felder
In goldnen Ähren stehn.
Auf allen Wegen blühen
Die Blumen rot und blau,
Nach mildem Regen pranget
In frischem Grün die Au'.
Die Lerche steigt zum Himmel, —
Horch, wie sie fröhlich singt!
Sie lobet Gott mit Jubeln,
Daß weithin es erllingt.
Hoch spannt der Regenbogen
Sich übers grüne Thal,
Die goldnen Ähren wogen
Im hellen Sonnenstrahl.
<8. <Lhr. Dieffenbach.