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Haifisch, denn in den letzten fünf Tagen hatten wir nicht für zwei
gegessen. Ich bat einen alten Grenadier um ein paar Kartoffeln.
(Er wies mich ab. Da gab ich ihm die beiden Kronentaler und reichte
mir acht oder zehn kleine Kartoffeln, wer war froher als ich? Die
Hrmee hungerte und trotzdem schrie sie aus Herzensgründe: „(Es lebe
der Kaiser!" und war wie elektrisiert und ging blind ins Feuer.
Der Himmel glich einem Heuermeer; viele Dörfer um Leipzig
brannten.
32. Napoleons Hbßug aus Leipzig.
Napoleon war geschlagen, vernichtet war er nicht. (Ermüdet
und erschöpft von den unsäglichen Anstrengungen der Schlacht, sank
er am Abend des 18. Oktobers auf einem hölzernen Schemel nahe bei
einem Wachtfeuer in tiefen Schlaf, plötzlich fuhr eine Granate ins
5euer und löschte es aus. So sollte auch Napoleons Ruhm verblassen.
(Er erwacht, blickt verstört um sich. Dann bemeistert er sich und erteilt
die Befehle zum Rückzüge. Don DTurat begleitet, reitet er nach Leipzig
und schläft ein paar Stunden im Hotel de Prusse (Gasthof Preußen).
Zwölf brennende Dörfer lohten gleich Riesenfackeln gen Himmel und
kündeten die furchtbare Zerstörungsarbeit des Korsen. Zahllose Wacht¬
feuer bildeten einen strahlenden Lichterkranz auf dem gewaltigen Gottes¬
acker der Leipziger (Ebene.
Unaufhaltsam zogen französische Truppen nach Westen zu ab.
Hls die Sonne am 19. Oktober das riesige Schlachtfeld beleuchtete,
sahen die Verbündeten nur noch einige abziehende Heerhaufen bei
Stötteritz und (Eonnewitz. Napoleon nahm früh vom Könige Friedrich
August Abschied; der sächsischen Garde rief er zu: „Lebt wohl, brave
Sachsen!" Gefolgt von seinen Generälen, ritt er nach dem Ranstädter
Tore. (Es war aber von Geschützen, Pulverwagen und Flüchtlingen so
vollgestopft, daß er umkehren und zum Peterstore hinausreiten mußte.
Die Soldaten, welche den Rückzug decken sollten, ermahnte er noch ein¬
mal zu rühmlichem Ausharren.
Sein Gesicht war erdfahl, sein Gewand beschmutzt, schlaff hingen
die Krempen seines dreieckigen Hutes herab. Da zogen Badener vorüber.
(Ein vorwitziger junger Bursche rief laut: „Schau, schau! Itzt muefchte
auschkratze! Glück auf de Rais!" Napoleon verstand zum Glück diesen
letzten Leipziger Gruß nicht, aber er hörte das höhnende Jauchzen und
Lachen, welches der derbe Witz entzündete.