402
Der Sohn des Hauses hat indes seine Morgenkost allein verzehrt;
denn nur im Felde ißt er mit den Leuten, und wieder geht's zum
Stall. — Die Krippen sind alle leer gefressen. Jetzt die Pferde heraus
und angeschirrt! Zwei werden vor den Wagen gespannt, auf den man
eben ein paar Eggen und Säcke mit Saatgerste gelegt hat; der Sohn
fährt, der Großknecht und zwei Jungen reiten hinterdrein, und so trabt
der Zug dem unfernen Ackerfelde zu, wo gepflügt und gesät werden soll.
Der Sohn hält den einen, der Knecht den andern Pflug, jeder mit
vier Pferden bespannt, die ein Junge treibt. Zu Hause haben auch die
Drescher wieder begonnen, und ein Knecht mistet das Vieh. Eine Magd
arbeitet am Butterfasse, und eine andere, kleinere wäscht erst die Baljen
und geht dann in der Küche der Tochter zur Hand. Diese bereitet
den Kaffee; denn auch die Alten haben sich jetzt erhoben und machen
beide ihren Morgengang: er im Flausrock, in gewirkter Schlafmütze und
Pantoffeln durch Diele, Stall und Scheunen; die gute Mutter aber, an¬
getan mit sauberen:, dunkelfarbigem Morgenrock von Kattun, durch Küche
und Keller, Milch- und Speisekammer, bis der duftende Kaffee, in blanker
Messingkanne auf dem Sofatische stehend, Eltern und Tochter auf ein
behagliches halbes Stündchen in der sauberen und sehr einfachen Wohn¬
stube wieder vereinigt. Schließlich langt der Alte nach seiner langen
Morgenpfeife, die letzten Zeitungen und Anzeigeblätter hervorsuchend; die
Mutter aber berät mit ihrer Tochter den Mittagstisch.
Wieder eine Weile später. — Die Mutter hat sich ans Spinnrad
gesetzt und spinnt weiche Wolle, zu warmen Socken für den Sohn be¬
stimmt; die Tochter ist in der Küche, und den Vater sehen wir mit
langem „Klubenstocke" auf der Schulter das Haus verlassen.
Eine stattliche, achtunggebietende Erscheinung ist der Alte. Ein echtes,
selbstbewußtes Patriziertum prägt sich auf seinem Gesichte aus; Milde,
herzgewinnende Treuherzigkeit schauen ihm aus den Augen, aber doch
gepaart mit dem würdigsten Ernst. — In seiner Jugend, ja bis an sein
vierzigstes Jahr, war er der tüchtigste Arbeiter; oft und gern redet er
davon, wie er habe schaffen müssen; wie strenge er von seinem seligen
Vater in Zucht gehalten worden; wie kein anderer im Dorfe so gleich¬
mäßig habe pflügen können. — Aber nun hat er seit langen Jahren
keinerlei Arbeit mehr angerührt. Er ist jetzt ein Sechziger, seine Gestalt
ist sehr ins Korpulente gegangen, die Farbe seines Gesichtes weiß und
zart, die Haut seiner Hände äußerst dünn und weich geworden; aber den
echten Hausmann sieht man ihm doch ans den ersten Blick an; denn nur
ein freier, reicher Bauernstand vermag solche würdigen Gestalten zu er¬
zeugen und auszuprägen. Folgen wir jetzt seinen Schritten!
Er springt mit seinem Klubenstock zwar behutsam, indes trotz seiner
sechzig Jahre noch immer recht behende über ein paar Gräben und wendet
sich zuerst nach seinen Weiden. Allerlei Jungvieh ist bereits draußen;