Object: Für Klasse 3 (achtes Schuljahr) und die Untertertia der Studienanstalten (Teil 7, [Schülerband])

Die so viel bedauerte und doch so zäh festgehaltene politische 
Zerspaltung ist es besonders gewesen, die all diesen fremden Einflüssen 
die Tür öffnete, keineswegs ausschließlich durch historische, sondern 
wesentlich auch durch geographische Verhältnisse begründet, durch jene 
ungemeine Mannigfaltigkeit der Bodengestaltung und des innern Baues, 
die das Entstehen eines politischen Mittelpunktes hinderte, gefördert, 
hat daneben die territoriale Bildung vieler Kleinstaaten, besonders bei 
der unseren Stämmen eigentümlichen Sprödigkeit ihres Wesens, auch 
die geistige Bildung noch mehr vermannigfachen und erweitern Helsen. 
Aus den vielgliederigen Stammesbesonderheiten ist eine Fülle von 
Bildungsstrahlen hervorgebrochen, der Hang zu freier Selbstbestimmung 
hat in allen Verhältnissen der materiellen und geistigen Arbeit eine 
Menge von Zuflüssen zugeführt, die Betonung der einzelnen wie der 
Stammespersönlichkeit dem deutschen Genius seine Selbständigkeit, der 
deutschen Sittlichkeit ihre Tiefe und Frische gesichert und endlich unter 
den einzelnen Stämmen jenen regen Wetteifer des Schaffens hervor¬ 
gerufen, dessen Ergebnisse wieder dem nationalen Ganzen zugute kommen. 
Während Spanier und Franzosen erfolglos ihre Kräfte vergeudeten 
in dem Streben nach großen, einheitlich regierten Staatsgebieten, machte 
sich der individualistische Trieb der Germanen fortwährend auch in 
ihren Staatsbildungen geltend: alles strebte darin nach Selbständigkeit 
und Selbstregierung der natürlichen Staatsteile, nach landschaftlicher 
Sonderung, nach kleinen Staatsgebieten und höchstens, wo sich größere 
Volksstämme in einem Staate zusammenschlossen, nach föderativer Ver¬ 
einigung. Diese kleinstaatliche Verfassung gab dem Leben der ger¬ 
manischen Nationen überall, im Gegensatz zu den nach außen strebenden 
romanischen Staaten, einen Zug inneren Lebens und friedlicher Neigung. 
Wie jener wunderbare Banjanenbaum Indiens, der seine Äste in 
den Boden senkt, daß sie, als Stämme wieder aufsteigend, die hoch 
im Luftraum sich wiegende Krone tragen, jeder gesondert für sich 
und doch durch des Mutterstammes Wurzelkraft genährt und zu einem 
Organismus verbunden — so ist Deutschland. Die deutsche Art be¬ 
seelt doch alle die einzelnen Stämme, auch wo sie von dem deutschen 
Reichskörper getrennt sind, und ihre Krone ist die Einheit im Reiche 
des Geistes. Diese Einheit, in jahrhundertelangen tapferen und schmerz¬ 
lichen Kämpfen errungen, zu bewahren, sie gegen alle Bedrohung, 
sei es von jenseit der Alpen, sei es von jenseit des Rheins oder des 
Njemens, sicherzustellen, sie mehr und mehr dem ganzen Volke zum
	        
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