Nordafrika. 29
Der Urwald in Kamerun.
„Die gewaltigen, während der Hauptregenzeit von Anfang Juli bis Ende September
niedergehenden Wassermengen, die feuchtwarme Treibhausluft und ein humusreicher, tief-
gründiger, vulkanischer Boden lassen es erklärlich erscheinen, daß im Kameruner Urwald
alle Bedingungen zusammentreffen, um eine großartige Entfaltimg der Pflanzenwelt
hervorzubringen. Da der Wald sich weit den Berg hinauf bis in eine Höhe von ungefähr
2200 in (in den Schluchten fast bis 2700 m) erstreckt, kann es nicht auffallen, daß die kühlere
obere Region einen anderen Charakter aufweist als die untere. Die Grenze zwischen beiden
Gebieten liegt bei Buea in einer Höhenzone von etwa 1000 m.
In der Nähe von Viktoria, wo offenbar schon seit alter Zeit Negeransiedlungen be-
standen, ist der Wald lichter. Dieser Umstand trägt nicht wenig dazu bei, den malerischen
Charakter der Landschaft zu heben. Zwischen den einzelnen Urwaldriesen flutet breit das
Licht bis zum Boden und verursacht eine Üppigkeit in der Entfaltung des Unterholzes und
der Lianen, welche man in dem eng geschlossenen Bestand vermißt. Bis hoch in das Ast-
werk drängen die Lianen vor, und da im tropischen Regenwald die Entwicklung des
Laubwerkes gefördert, die Holzbildung dagegen zurückgedrängt wird, hängen oft breite
grüne Kulissen nieder, zwischen denen in anmutigem Schwung die seilartigen Stämme
sich hinziehen. Wo die Lianen Raum frei lassen, siedeln sich schmarotzende Orchideen und
Farne an. Überall drängen sich die graziösen Olpalmen ein, ohne indessen dichte Bestände
zu bilden, während die Weinpalme (Rapbia vinifera) etwas vereinzelter auftritt. Beide
liefern den Palmwein, dem wir bei unseren Wanderungen bald den Vorzug vor anderen
Getränken gaben. Uberall am Wege stehen als Reste früherer Siedelungen die Bananen
und schlankstämmigen Melonenbäume.
So werden denn zu beiden Seiten des breiten Weges nach Buea Landschaftsbilder
geschaffen, die auf Erden ihresgleichen suchen. Keines gleicht dem andern, und doch tragen
sie wieder ähnlichen Charakter. Die ernsten Waldriesen bilden die Streben, an denen sich
in fast übermütiger Fülle die Lianen emporranken, um in zu Laub gewordenen Kaskaden
niederzuwallen und einen wirkungsvollen Rahmen für die stolzen Kronen der Palmen
abzugeben. (Karl Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres.)
Das Kongobecken.
Die Mitte Afrikas wird vom Kongobecken eingenommen, das etwa der Größe
von Va Europa entspricht und rings von hohen Bodenschwellen eingefaßt wird.
Deshalb stürzen sich die Flüsse mit Stromschnellen hinein, und der Kongo muß
das Randgebirge in felsigem Engtal durchbrechen, um das Meer zu erreichen. Düstere
Urwälder liegen namentlich im östlichen Teil; nach 8 zu breiten sich Savannen und
Grasfluren aus. Gorillas und Schimpansen kommen im dichtesten Urwald noch
vor. Die Bevölkerung ist sehr verschiedenartig. Neben Zwergvölkern treten
wahre Riesen auf, bald reine Neger, bald Mischlinge von rötlicher oder schmutzig
gelber Hautfarbe. Manche Stämme sind noch Menschenfresser (Kannibalen).
Der größte Teil des Gebietes wird vom Kongostaat eingenommen, der seit
1908 belgische Kolonie ist. Kautschuk und Elfenbein sind die wichtigsten Erzeugnisse;
Kupfererz kommt im äußersten 80 vor. Die Hauptstadt Boma ist durch eine Bahn
mit dem schiffbaren Kongolauf verbunden.
Stanleys große Entdeckungsfahrt auf dem Kongo.
Nachdem Stanley im Auftrage von James Gordon Bennett, dem Besitzer des
„New Nork Herald", den seit langem verschollenen englischen Afrikaforscher Li Vingstone
Fischer-Geistbeck-Wagner, Erdk. f. d. höh. Lehranstalten in Sachsen. III. T. 3