Deutsch-Südwestafrika. 37
Das Klima im Hereroland ist für Europäer sehr zuträglich. Tagsüber herrscht
oft trockene Hitze, aber nachts starke Abkühlung. Auch an Regen fehlt es nicht; am
Waterberg regnet es z. B. ebensoviel wie in Berlin; aber die Niederschläge sind
zu ungleich über das Jahr verteilt und verdunsten zu rasch. Die Flüsse führen nur
zeitweise Wasser, und die Ansiedler sind auf künstliche Brunnen angewiesen.
Die Eingeborenen sind die kräftigen, viehzüchtenden Hereroneger und
als dienende Klasse die Bergdamara (Mischlinge zwischen Negern und Hotten--
totten).
Das Hereroland eignet sich wegen des zwar trockenen, aber äußerst nahrhaften
Graswuchfes sehr zur Zucht von Rindern und Pferden, in den östlichen Sand-
strecken für Straußenzucht. Freilich müssen die Einwanderer sehr große Land-
strecken (bis 100 qkm) zu einer Farm erwerben. Im N liegen die reichen Kupfer-
erzlager von Otavi, im 8 die Hauptstadt Windhuk (in Schneekoppenhöhe,
mit warmen Quellen).
4. Groß-Namaland ist ein Tafelhochland mit einer Reihe schwer zugänglicher
Gebirge. Es ist noch ärmer an Wasser als das Hereroland. Das Gras ist schlechter,
steht nur büschelweise und eignet sich mehr zur Schaf- und Ziegenzucht. Hier
wohnen die Hottentotten in ihren halbkugeligen Hütten (Werften), die zu Dörfern
(Kralen) vereinigt sind. Hauptort ist Keetmanshop. Nahe der Lüderitzbucht
hat man neuerdings im Sande große Mengen von Diamanten gefunden (jähr-
liche Ausbeute 25 Mill. M.).
Deutfch-Südwestafrika teilt mit dem benachbarten Kaplande die
gleichen natürlichen Verhältnisse, und wir dürfen deshalb auch eine
ähnliche wirtschaftliche Entwicklung hoffen. Viehzucht und Bergbau sind
die beiden wichtigsten Erwerbsquellen. Besondere Bedeutung erlangt die Kolonie
dadurch, daß das günstige Klima eine Ansiedelung von deutschen Auswan-
derern zuläßt.
Die Herero.
„Die äußere Erscheinung der Herero unterscheidet sie sehr vorteilhaft von den übrigen
Eingeborenen des Schutzgebietes; besonders ist es ihre außerordentlich hohe und ebenmäßig
schlanke Gestalt, die sie auszeichnet und die sie schon von weitem abhebt gegen die kleiner
gewachsenen Hottentotten, Buschmänner und auch die Bergdamaras. In ihrem Gesicht,
mit listigen, nicht allzu großen Augen, fällt das Negerhafte, die wulstigen Lippen, nicht
unangenehm auf. Die schmale Kopfbildung erinnert an die semitische Rasse.
Die hervorstechendste Charaktereigentümlichkeit der Herero sind ihr Stolz und ihre
Verachtung des weißen Mannes. Dieser Stolz hindert sie auch, die europäische Kleidung
anzulegen; sie sind bis zu dem Vernichtungskrieg freie, selbständige Hirten geblieben und
tragen als solche nur die Felle und Häute ihrer Tiere. Auch die Frauen nehmen an dieser
Art Kleidung teil: die dreizipflige Haube der Verheirateten und die Leibbänder sind eben-
falls aus Leder.
Die Krale der Herero, die sie zusammen mit ihren Tieren bewohnen, sind standfester
als die der Hottentotten. Beiden gemeinsam ist die kreisrunde Form; sie sind mit einem
Dornverhau umgeben, der nur an einer Seite zu betreten ist, und zeigen in der Mitte den
runden Kälberkral; rundherum gruppieren sich die Hütten der Bewohner. Von außer-
ordentlicher Bedeutung für den Herero ist die heilige Opferstelle und der Ahnenbaum, der
in die Mitte der Werft gepflanzt wird. Ahnenkultus ist ein hervorstechendes Merkmal im
Glauben dieses Volkes, der durch altheilige Stammessagen von den Häuptlingen weiter-
geführt wird, die ihren eigenen Ursprung auf jene Altvorderen zurückführen." (W. Scheel.)