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Physische Erdkunde.
Die Flüsse tragen in wechselnder Menge mechanisch Sedimente tal¬
abwärts. Ihre Tragkraft vermindert sich mit der Stromgeschwindigkeit.
Im allgemeinen vermag ein Fluß mit einer Geschwindigkeit an der Sohle
von 0,15 m in der Sekunde noch gerade groben Schlamm zu bewegen,
bei einer solchen von 0,20 m feinen Sand, von 0,30 m groben Sand, von
0,70 m feinen Kies, von 1,20 m Kiesel bis zu Eigröße, von 1,50 m platte
Steine und größeres Geröll. Bei Hochwasser werden selbst größere
Blöcke von mehr als 1 cbm Inhalt abwärts gerollt. Die tatsächliche
Menge der Sedimente ist zugleich von dem Reichtum des Stromgebietes
an lockerem, transportfähigem Material abhängig.
Wo ein Gebirgsbach aus seinem engen Tale in das breite Tal des
Hauptflusses einmündet, wirft er einen steilen Schuttkegel auf. Oft bilden
sich solche Kegel bei einem einzigen stärkeren Wasserabflüsse aus dem
kleinen Gebirgstale, bei einem sogenannten Wildbache infolge plötzlichen
starken Kegenfalles. Zu diesen Erscheinungen gehören die Murgänge
oder das Muren in den Hochgebirgen.
Auch bei dem Austritte der Flüsse aus dem Gebirge in die Ebene
vermindert sich meist das Gefälle und damit die Stromgeschwindigkeit,
und das Wasser lagert infolgedessen das mitgeführte Material in großen
Mengen ab. Der Schutt kann sich aber auf dem ebeneren Boden nach
allen Seiten ausbreiten, daher entstehen hier flache Dejektionskegel
mit sanfter Neigung der Oberfläche. Die Ebenen nördlich und südlich
der Alpen sind zu einem großen Teile von solchen Ablagerungen gebildet.
Auch jnnerhalb eines Flußlaufes selbst kommt es überall zur Ab¬
lagerung, wo die Stromgeschwindigkeit unter das Maß herabsinkt, das
noch den Transport ermöglicht. Dadurch entstehen im Flußbett un¬
beständige alluviale Anschwemmungen, Sandbänke, die oft als Inseln aus
dem Wasser hervorragen. Sie bewirken Ablenkungen der Stromrichtung
und geben den ersten Anlaß zur Serpentinenbildung. Besonders reich
ist die Ablagerung der Sedimente an der Mündung der Nebenflüsse,
wodurch ständig die Mündungsstelle stromabwärts verschoben wird.
Bei dem Eintritte eines Flusses in ein stehendes Gewässer, in einen
Binnensee oder ins Meer, fallen schließlich sämtliche Sedimente zu Boden.
Es bildet sich hier ebenfalls ein Schuttkegel, der zum größten Teil unter
Wasser liegt, aber auch bis über den Spiegel hinaus anwächst und dann
als Delta bezeichnet wird.
Die Ablagerung in den Binnenseen geschieht in der Weise, daß
zunächst, wie unsere schematische Zeichnung (Fig. 75) zeigt, das gröbere
Gerölle niederfällt und einen steilen Schuttkegel vor der Mündung des