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der ails Flandern, Ludolf und Engelbert, betraten aus
dem mittleren Stockwerke des Thurms zuerst die Mauern;
ihnen folgten, aus dem obern Stockwerke herbeyeilend,
Herzog Gottfried und Eustachius sein Bruder, daun viele
Ritter und geringere Pilger. Man sprengte das Ste-
phanöthor, und mit dein Rufe: „Gott hilft! Gott will
es!" stürzten die Christen unaufhaltsam in die Straßen.
Unterdessen war der Graf von Toulouse, an der andern
Seite der Stadt, aufdas äußerste bedrängt, und sein Thurm
so beschädigt worden, daß ihn keiner mehr zu besteigen
wagte. In diesem Augenblicke der höchsten Gefahr erhiel¬
ten aber die Türken Nachricht von dem Siege des Her¬
zogs, und schnell versprachen sie dem Grafen die Ueber-
gabe des Thurmes David gegen künftigeLösuug und siche¬
res Geleit bis Ascalon. Raimund bewilligte ihre For¬
derungen; und die Provenzalen drangen nunmehr mit sol¬
cher Eile in die Stadt, daß sechzehn von ihnen im Tho¬
re erdrückt wurden.
Unkundig der Straßen, gelangte Tanered fechtend
bis zur Kirche des heiligen Grabes, hörte erstaunt das
„Herr, erbarme dich unser!" singen, fand hier die Ieru-
salemischen Christen versammelt, und gab ihnen eine Wa¬
che zum Schutz gegen etwaige Anfalle der Saracenen.
Aber schon retteten sich diese fliehend von den Straßen in
die Hauser, vor allem an zehentausend in den Tempel und
dessen von Mauern eingeschlossenen Bezirk. Auch dahin dran¬
gen die Christen, und das Metzeln dauerte fort, bis das
Blut die Treppen des Tempels hinabrieselte, bis der
Dunst der Leichname selbst die Sieger betäubte und fort¬
trieb. Don dem Tempel eilte man zur Synagoge, wo¬
hin sich die Juden gerettet hatten; sie wurden verbrannt.
Aufgehäuft lagen jetzt die Leichen, selbst in den abgelegen¬
sten Straßen, schrecklich war das Geschrey der Verwunde¬
ten, furchtbar der Anblick der einzeln zerstreut umherge¬
worfenen menschlichen Glieder; dennoch kehrte die Besin-