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-Hellenen.
kommen sein und dort zu Eleusis die berühmten Mysterien gestiftet
haben, in welchen der Kultus der Demeter, der Göttin der frucht¬
tragenden, nährenden Erde, und der des Dionysos, des Gottes der
erzeugenden und in -der überströmenden Fülle und Stärke ihrer
Gaben berauschenden Naturkraft, sich vereinigten. Den Hauptdienst
bei diesen Mysterien hatte das Geschlecht der Eumolpiden (das ist
der Schönsingenden), und es hat sich in der Sage von ihrem my¬
thischen Ahnherrn entweder das Andenken erhalten, daß ihr Ge¬
schlecht einst von Pierien nach Attika eingewandert ist, oder es liegt
in ihrem Namen nur die Hindeutung auf die Verbindung des aus dem
Norden stammenden Gesanges mit dem Dionysosdienste. Die Sagen
von den pierischen Thraciern weisen auf den Einfluß hin, welchen
Gesang und Musik in Verbindung mit Religion und Gottesdienst
auf die Kultur und Sittigung ausgeübt haben.
Hellas war in der ältesten Zeit der Name eines Landstrichs in
Thessalien, welcher später Phthiotis genannt wurde, und der Name
Hellenen, später der Gesammtname der Bevölkerung Griechenlands,
bezeichnete ursprünglich ebenfalls nur die Bewohner jenes Landstrichs.
Thessalien war die ganze griechische Geschichte hindurch das Land
der Rossezucht, und der Wagenkampf war die der heroischen Zeit
eigenthümliche Streitart. So erscheinen nun auch die Hellenen, der
dritte bedeutende Stamm der griechischen Urzeit, als ein kampf¬
lustiger, lebensvoller Heldenstamm, welcher über die friedlichen pe-
lasgischen Landbaueru den Sieg erringt. Der priesterlichen Vorzeit
der Pelasger und Pierier folgt die Heldenepoche des fröhlichen hel¬
lenischen Lebens.
Die von den Pelasgeru und den Pieriern gepflanzten ersten
Keime der griechischen Bildung traten in ein neues Stadium der
Entwickelung, als die im engeren Sinne hellenisch genannten Stämme
sich über das mittlere und südliche Griechenland verbreitet hatten.
Die Anfänge dieser Stämme wurden durch folgende Sage an die
fabelhafte Urzeit geknüpft. Der Sohn des von den Titanen ent¬
sprossenen Prometheus, des Bildners und Wohlthäters der Men¬
schen, war Deukalion, König von Phthia in Thessalien. Zu dessen
Zeit beschloß Zeus das frevelnde Menschengeschlecht zu vertilgen
und sandte deßhalb eine große Fluth über Hellas. Aus diesem Un¬
tergänge retteten sich nur Deukalion und sein Weib Pyrrha. Nach¬
dem die Fluth abgelaufen war, warfen sie, um die Erde wieder zu
bevölkern, nach einem erhaltenen Götterrathe, Steine hinter sich,
die zu Menschen wurden. Von diesen Steinmenscheu stammten jedoch
nur die Leleger ab, die Hellenen aber waren natürliche Abkömm¬
linge des Deukalion, durch den Hellen, den er mit Pyrrha zeugte.
Hellen hatte drei Söhne, Dorus, ck'uthus und Aeolus; diese und
ihre Nachkommen zogen aus und nahmen den größten Theil von
Griechenland und der dazu gehörigen Inseln ein. Aeolus herrschte
in Phthiotis, seine Söhne und Enkel in Aetolien, Phocis, Böotien,
Korinth, Messenien, Elis. Tektamus oder Teutamus, ein Sohn
des Dorus, ging nach Kreta; Futhus kam nach Attika, stand dem
dortigen Könige Erechtheus in einem Kriege bei und erhielt die
Hand seiner Tochter Kreusa, die ihm zwei Söhne gebar, Jon und