Full text: Der Unterricht in der Erdkunde

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Wälder.) Daß er dabei der Geologie einen weiten Spielraum einräumen mußte, 
liegt auf der Hand. 
Daher lassen sich unter den Geographen der Folgezeit drei Richtungen unter- 
scheiden. Die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise Humboldts fand ihre An- 
Hänger stets unter den Forschungsreisenden. Die allmählich verschwindende histo- 
rische Länderkunde Ritters stand dagegen mehr bei den Männern der Wissenschaft 
in Geltung. Die meisten Geographen der Jetztzeit huldigen nach dem Vorgange 
Pefchels der harmonischen Verschmelzung der beiden Betrachtungsweisen, die allein 
die allseitige wissenschaftliche Kenntnis der Erdräume verbürgt. Von ihnen seien 
genannt die Universitätsprofessoren Elisee Reclus in Brüssel, der geistvolle Gehilfe 
Peschels (geb. 1830), Freiherr von Richthofen in Berlin, der allseitig anregende 
und neue Ziele setzende Erforscher Chinas und oftmalige Vorsitzende der „Gesell- 
schast für Erdkunde" (geb. 1833), Kirchhoff in Halle, der Vater des Landschafts- 
prinzipes und der geologischen Grundlegung im geographischen Unterricht (geb. 1838), 
und Ratzel in Leipzig, der Schöpfer der Anthropo- oder Kulturgeographie 
(geb. 1844). 
Infolge dieser mannigfachen praktischen und wissenschaftlichen Bestrebungen, 
die sich naturgemäß vielfach berührten und durchdrangen, wurden geographische 
Kenntnisse nach und nach als ein wesentlicher Bestandteil der allgemeinen 
Bildung angesehen. In der heutigen Zeit des Massen- und Schnellverkehrs, 
des hochentwickelten Nachrichtenwesens, der kolonialen Gründungen und der Welt- 
Machtsbestrebungen steht das geographische Interesse sogar mit im Vordergrunde 
des bürgerlichen Lebens. Aber es erfaßt auch jetzt noch wie vor Jahrhunderten 
vorzugsweise die praktische Seite der Geographie und beschränkt sich selbst bei den 
Gebildeten unseres Volkes auf die bloße Kenntnis der geographischen Objekte. 
Bezeichnend dafür ist die Stellung der Geographie im Lehrplane der Gymnasien, in 
deren oberen Klassen sie nur als ein Anhängsel der Geschichte betrieben wird. 
Aber es steht zu hoffen, daß die stetig wachsende Verbreitung biologischer Kenntnis 
das Bedürfnis nach Erfassung des ursächlichen Zusammenhanges der geographischen 
Erscheinnngen verstärken, die Fülle der geistbildenden Momente erdkundlicher Be- 
lehrung zum Bewußtsein bringen und eine allseitige Wertschätzung der Geographie 
herbeiführen wird. 
Was im Bewußtsein der Nation als notwendiger Bestandteil allgemeiner 
Bildung lebt, macht naturgemäß auch seine treibende Kraft im Erziehungsplan des 
nachfolgenden Geschlechtes geltend. So hielt auch die Geographie ihren Einzug in 
die Schule. Den ersten Anfängen erdkundlicher Belehrung begegnet man in den 
Lateinschulen der Reformation, wo sie ihren Stoff aus den Quellen des Alter- 
tums schöpfte. Die früheste Spur eines geographischen Unterrichts in der Volks- 
schule findet sich um das Jahr 1590 in der Armenschule, welcke mit dem Waisen- 
Hause in Darmstadt verbunden war. Seitdem hat sich der geographische Unterricht 
langsam seinen heutigen Platz im Plane der Schulen erobert. Die Wandlungen, 
die er im Laufe der Zeit, getragen von den praktischen Interessen des Lebens und 
den jeweiligen wissenschaftlichen Bestrebungen, durchgemacht hat, sollen später dar- 
gestellt werden. 
Aufgabe: Wiederhole die Geschichte der Entdeckung aller Erdteile und der Polar¬ 
forschung!
	        
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