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und Schatten zusammen. Hätte die Erde keine Atmosphäre, so müßte hier auch
eine ganz scharfe Lichtgrenze sein, wie beim Monde, der keine Atmosphäre hat.
Wir wissen aber schon, daß die Atmosphäre durch die Brechung auch solchen
Punkten der Erde noch Sonnenstrahlen zuführt, die jenseits der Beleuchtungsgrenze
liegen, d. h. die direkt keine Sonnenstrahlen mehr empfangen. Wir kennen ja
bereits die Dämmerungszone. Wirkliche Nacht ist daher nur auf 10°l289 der
Erdoberfläche.
Ständen Erde und Sonne still, so hätte die eine Hälfte der Erde beständig
Tag, die andere Nacht; fo aber geht infolge der Rotation der Erde die Sonne
für jeden Punkt der Erde auf und wieder unter, es ist Wechsel zwischen Tag
und Nacht.
b) Tritt irgendein Meridian der Erde eben in die Beleuchtungsgrenze, so
muß der um einen Längengrad östlicher gelegene Meridian bei der Rotation von
Westen nach Osten diese Grenze schon 4 Minuten früher erreicht haben. An jedem
um 1 0 östlicher gelegenen Orte der Erdoberfläche geht die Sonne 4 Minuten früher
auf; er hat auch 4 Minuten früher Mittag, ist überhaupt in seiner Zeitrechnung
4 Minuten voraus. (S. § 13.) Reist man also von seinem Wohnorte einen
Grad nach Osten, so hat man dort 4 Minuten früher Sonnenaufgang als zu
Hause, bei einer Reise, die sich auf 2 Grade erstreckt, 3 Minuten. Notierte man
bei einer Reise um die Erde, also durch 360 Grade, in östlicher Richtung bei
jedem Sonnenaufgang ein neues Datum, so wäre man bei der Heimkehr mit
seinem Kalender um 360 x 4 = 1440 Minuten — 24 Stunden, d. i. um einen
vollen Tag vor dem Orte der Abfahrt voraus. Umgekehrt bringt eine Reise von
Osten nach Westen um die Erde um einen Tag zurück. Als eins der Schiffe
Magellans nach seiner von Spanien aus nach Westen ausgeführten Weltumfeglung
nach 3 Jahren zurückkehrte, schrieb man auf dem Schiffe den 6. September 1522,
in Spanien den 7. September. Wäre die Reise nach Osten erfolgt, so hätte man
auf dem Schiffe den 8. September geschrieben. Nach Osten zu versruht man
gleichsam deu Sonnenaufgang, nach Westen zu verspätet man ihn. Daher ver-
schiedenes Datum in ostwestlich weit voneinander entfernten Orten.
2. Die ungleiche Dauer der Tageszeiten und der Wechsel der
Jahreszeiten. Die ungleiche Dauer, die Tag und Nacht in verschiedenen
Breiten und zu verschiedenen Jahreszeiten haben, und der Wechsel der Jahres-
zeiteu beruhen auf der Revolution der Erde und der Neigung der Erdachse gegen
die Erdbahn.
Fig. 32 laßt den Wechsel der Jahreszeiten erkennen.
8 = Sonne; die punktierte Ellipse = Erdbahn; der schattierte Gürtel, etwa
20° breit, --Tierkreis; der schwarze Kreis in seiner Mitte, der den Himmels-
äqnator halbiert. = Ekliptik; Np = Nordpol, Sp = Südpol. — I = Erdstellung
am 21. März, II am 21. Juni. III am 23. September, IV am 21. Dezember.
Ersichtlich ist auch der Parallelismus in den Stellungen der Erdachse.
I. Erdstellung am 21. März.
Nord- und Südpol sind gleich weit von der Sonne entfernt; nördliche und
südliche Halbkugel sind halb beleuchtet, halb dunkel, also sind Tag und Nacht
auf der ganzen Erde gleich lang. Für die Pole steht die Sonne 24 Stunden
im Horizont; der Äquator wird mittags senkrecht von der Sonne be¬