fullscreen: Abriß der brandenburg-preußischen Geschichte

66 
bis zum andern Morgen 9 Uhr nicht unterzeichnet sei, das Bombarde¬ 
ment .wieder aufgenommen werde. Wimpffen bat sich Bedenkzeit aus. Sie 
wurde ihm gewährt und nochmals ausdrücklich hinzugefügt, daß genannte 
Stunde der letzte Termin sei. 
Napoleon brach am Morgen des 2. Septembers von Sedan aus, 
entschlossen, eine persönliche Unterredung mit dem Könige Wilhelm nachzu¬ 
suchen und wenn möglich eine Milderung der Capitulationsbedingungen 
auszuwirken. Er schlug die Richtung nach Donchery ein. Graf Bismarck 
lag noch im Bett, als ihm sein Adjutant die überraschende Nachrickt 
brachte, der Kaiser komme, um mit ihm und dem Könige eine Zusammen¬ 
kunft abzuhalten. Schleunigst kleidete er sich an und ritt Napoleon ent¬ 
gegen. Letzterer, in der Meinung, der König befinde sich gleichfalls in 
Donchery, äußerte den Wuufch, mit dem Könige zu sprechen. Da er nun 
hörte, daß das Hauptquartier desselben drei Meilen weit entfernt sei, er¬ 
kundigte er sich, ob König Wilhelm einen Ort bestimmt habe, wohin er 
sich zunächst begeben solle. Gras Bismarck stellte ihm seine Wohnung zur 
Verfügung, von welchem Anerbieten der Kaiser Gebrauch machte. So 
suhr er langsam nach Donchery. Als er aber unterwegs eines einsam ge¬ 
legenen Häuschens ansichtig wurde, äußerte er den Wunsch, dort abzu¬ 
steigen und forderte den Grafen Bismarck auf, ihm in das Innere des 
Hauses zu folgen. Hier fand eine eiustündige Unterredung statt. In 
Bezug auf den Frieden konnte der Bundeskanzler keine Zusicherung er¬ 
halten. Napoleon sagte, er habe keine Macht, Alles hänge von der 
Kaiserin als Regentin uud den Ministern ab. Der Kaiser betonte haupt¬ 
sächlich den Wunsch, günstigere Capitul«üvnsbediugungen für die Armee 
zu erhalten, worauf aber Graf Bismarck nicht einging. Letzterer bemerkte 
ihm fogar, es sei unter solchen Umständen ganz zwecklos, mit dem Könige 
noch eine Zusammenkunft nachzusuchen. Da aber der Kaiser immer nock 
darauf bestand, den König persönlich zu sprechen, so erklärte ihm Graf 
Bismarck, daß er das Schloß Bellevue als Ort des Zusammentreffens dem 
Könige vorschlagen werde. Dorthin begab sich der Kaiser und erwartete 
in Langer Ahnung die kommenden Dinge. Napoleons Hoffnung, das 
Herz des Siegers zu rühren, wurde dadurch vereitelt, daß ihn der König 
erst nach Abschluß der Capitulatiou sehen wollte. Nach Unterzeichnung 
derselben durch Moltke und Wimpffen hatten beide Monarchen eine unge¬ 
fähr eine Viertelstunde dauernde Unterredung in Bellevue. „Was ick 
Alles empfand", schrieb der König an seine Gemahlin, „nachdem ich nock 
vor 3 Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht gesehen hatte, kann 
ich nickt beschreiben." Auch mit dem Kronprinzen wechselte der Kaiser 
einige Worte. Der König trug dem Gefangenen als Aufenthaltsort das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.