Die Alpen. 11
Regionen kommt und hier am Ende abtaut. Der Grindelwaldgletscher
endigt erst in einer Höhe von 1000 m inmitten von Fruchtfeldern. Je
nach der Größe der Schneefelder sind auch die Gletscher verschieden groß.
Sie erhalten meist Zufuhr von den Bergabhängen und den Seitentälern.
Auf der Wanderung von der Firnmulde nach unten erleiden sie manche
Umformung. Der Eisstrom nimmt dabei die Krümmungen und Windungen
des Tales an, schleift die Wände glatt. Durch diese unregelmäßige Be-
wegung werden in der dickflüssigen Masse tiefe Spalten und Klüfte hervor-
gerufen, sich gleichfalls verändernd. Der Gletscher schiebt am Fuße viel
Schutt mit sich fort. Diese Schuttmassen bilden die Grundmoräne, die
am Ende, wo der Gletscher abtaut, als Stirnmoräne liegen bleibt, oder
deren Massen von den Flüssen weiter befördert werden. An Gletschern
reich sind besonders die Montblancgruppe, die Walliser und Berner Alpen
(in letzteren sendet der Aletschgletscher, der mit dem Firnmeere 25 km
lang ist, seine Wasser zur Rhone), die Tödigruppe, der Ortler und die
Ötztaler Alpen und endlich die Hohen Tauern. Diese oberste Region ist
natürlich unproduktiv; aber sie wird besonders viel von den Freunden
der Hochgebirgsnatnr aufgesucht, so daß sich der Fremdenverkehr bis hoch
hinauf erstreckt; dies kommt aber gerade der abgelegenen, armen Gebirgs-
bevölkernng zugute. Der Hochgebirgsnatnr entsprechend nimmt die Be-
völkerung nach oben zu ab. Die bedeutendsten Orte, die den Verkehr
beherrschen, liegen nur am Rande; im Innern überwiegen die kleinen
Städte und die ländlichen Siedlungen. Daher beträgt die Dichte im
eigentlichen Hochgebirge nicht viel über 20, in dem ganzen Alpenlande
ungefähr 50 aufs qkm. Der Natur des Landes angepaßt ist das Alpen-
haus, indem es aus Holz gebaut ist, das auch nach starkem Regen bald
trocknet, und indem sein wenig geneigtes Dach zum Schutze gegen die Stürme
mit Steinen beschwert ist und an den Seiten hervorragt, um Galeriegänge
zu bedecken. Wegen seiner Größe, der zentralen Lage in Europa und
der Zugänglichkeit wird das Hochgebirge nicht bloß von einem einzigen
Stamme bewohnt, hat es sich auch nicht zu einer staatlichen Einheit
herausgebildet; vielmehr sind von Süden und Südwesten die Romanen,
von Norden die Germanen und von Osten die Slawen eingedrungen.
Aber alle zeichnet Freiheitsliebe, Frohsinn, Stärke, Unerschrockenheit und
Gottvertrauen aus. So äußert sich die Hochgebirgsnatnr der
Alpen in der Bevölkerung, indem sie die wirtschaftlichen Erwerbs-
quellen, die Dichte, die Siedlungsanlagen, die Staatenbildung und den