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Allgemeine (physische) Erdkunde.
b) Während die bisher erwähnten Tiere und Pflanzen durch absichtliche
Tätigkeit des Menschen ihre Verbreitung gesunden, sind andere durch die menschliche
Tätigkeit ganz zufällig verschleppt worden mit Handelswaren, dnrch Schisse, Heeres-
züge usw. Den Wegerich nennen die Indianer Amerikas die Fußstapse des Weißen;
das Flohkraut unserer Felder kam in einem ausgestopften Vogel aus Amerika, das
Guineagras mit deu Negerfklciveu nach Brasilien. — So ist auch der Sperling mit
dem Ackerbau nach Sibirien und Afrika, die Ratte durch die Schiffahrt nach Amerika
und Australien, der Sandfloh ebenso von Südamerika nach Westafrika gekommen.
Auch die Reblaus und der Koloradokäfer seien hier erwähnt:
6. endlich spielen bei der Verbreitung von Organismen eine hervorragende Rolle
die im Laufe der Zeit eingetretenen klimatischen und geologischen Verände¬
rungen, in letzterer Beziehung besonders die Verschiebungen, denen Land- und
Wassermassen in früheren Weltaltern nnterworsen waren. Den Schlüssel für das Ver-
stäuduis der Tatsache z. B., daß unsere Hochgebirgs-Flora und -Fanna mit der polaren
Flora und Fauna sehr nahe verwandt ist, während die dazwischenliegenden Tieflande
keine Spur von diesen Pslanzen und Tieren ausweisen,' gibt uns die Eiszeit. Bei deu
damaligen Temperaturverhältnissen war nämlich die Verbreitnug der polaren Fanna
und Flora auch in den tieferen Regionen des Festlandes möglich. Als dann die Eiszeit
einem milderen Klima wich, mnßten vor der zuuehmeudeu Wärme die Pslanzen und
Tiere sich zurückziehen, fei es gegen N. oder auf die Gipfel des Hochgebirges. Die
Übereinstimmung der Tierwelt Euglauds uud Irlands mit der des Kontinents beweist
uns, daß beide Inseln in vorhistorischen Zeiteu Teile des europäischen Festlandes waren.
So erklärt sich auch die Vielsache Ähnlichkeit der nordamerikanischen Flora und Fauua
mit der europäischen aus der früher zwischen beiden Kontinenten bestehenden Landbrücke,
welche die Einwanderungen von einem nördlichen Erdteile znm andern vermittelte.
Den Wanderungen der Lebewesen setzt die Natur auch wieder mannigfache Grenzen.
Hierfür kommen besonders in Betracht!
1. Gebirge; so finden am Uralgebirge der Igel und das Heidekraut ihre Grenze.
2. Meere uud Meerengen; es ist kein Beispiel bekannt, daß in historischer
Zeit anch nur eiue Pflanze über den Kanal oder über die Meerenge von Mefsina
durch Naturkräste sich verbreitet hätte. Die merkwürdigste aller solcher Meeresgrenzen
ist die Straße zwischen den hinterindischen Inseln Bali und Lombok. Ostlich und
westlich der Straße finden sich sehr verschiedene Pslanzen- und Tierarten.
3. Das Klima. Wüsten sind eine Verbreitnngsschranke namentlich für solche
Tiere, die zn ihrer Existenz des Wassers bedürfen, Steppen für solche, die dem Wald-
leben angepaßt sind.
4. Der Welt kämpf der Organismen untereinander. Da alle das
Bestreben haben, sich auszubreiten, fo ist eiu Kampf zwischen ihnen nicht zn vermeiden.
In diesem Kampfe aber trägt stets nur diejenige Art den Sieg davon, deren Natur
deu bestehenden Verhältnissen am besten angepaßt ist; denn dann kann sie sich kräftiger
als die andern entwickeln.
5. Der Menfch; gar manche Tiere wurden von ihm schon ausgerottet, andern
steht der Untergang bevor. Die straußartigen Riesenvögel Neuseelands, der deutsche
Wisent uud Schelch sind verschwunden; mehr und mehr vermindern sich der Steinbock
der Alpen, Auerochs uud Eleu, Bison und Biber usw. Dagegen ist kein sicheres
Beispiel einer in geschichtlicher Zeit verschwundenen Pslanze bekannt; aber manche
hiervon bedürfen bereits des staatlichen Schutzes, um vor Vernichtung gesichert zu
sein, fo die Riesenhaine der Mammutbäume in Nordamerika oder die Seekokos der
Seychellen, ja vielleicht auch unsere einheimische Wassernuß.