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einen Fürsten der Herero giebt es kein größeres Vergnügen, als znzn-
sehen, wie seine Rinder getränkt werden. Die einzelnen Stücke der
Herden kennt er in der Regel nach Wesen nnd Aussehen. Schon die
Kinder erhalten einzelne Stücke der Herde als Eigentnm ^ zugewiesen,
so daß sie sich, wenn sie erwachsen sind, meist im Besitz eines schönen
Viehstandes sehen. Den weißen Händlern sucht man alles anzuhängen,
was irgend einen Makel hat, wobei indes auch der Aberglaube mitspielt,
indem manch schönes Stück von den Herero nur deswegen losgeschlagen
wird, weil es eine ungewöhnliche Zeichnung hat, oder weil es in einer
Unglückssinnde brüllte, heilige Zweige benagte oder in einen Aschen-
hausen des heiligen Feuers trat. Eiu Stück von der Herde schlachtet
sowohl der Herero als auch der Nama uur ungern, und zwar nur bei
Festlichkeiten. Milch, Pflanzenkost und Wild bilden die gewöhnlichen
Nahrungsmittel. Die Nama bauen ihre leichten Hütten nach Hottentotten-
art, die Herero bienenkorbartig.
So ähnlich die Lebensweise beider Volksrassen ist, so wenig friedlich
find ihre nachbarlichen Beziehnngen. Zwischen beiden Stämmen herrscht
grimme Erbfeindschaft. Die Nama sehen in den Herero Eindring-
linge (in der That sind diese anch erst vor 100 Jahren in ihre jetzigen
Weidegründe eingedrungen) und führen gegen dieselben fast ununter-
krochen einen blutigen Vernichtungskrieg. Feuerwaffen alter und neuester
Konstruktion sind bei ihnen wohlbekannt: geübte Schützen und kühne
Reiter giebt es auf beiden Seiten. Zwar haben die an Zahl weit
überlegenen Herero die Nama fast in allen Gefechten geschlagen, aber
ihren Sieg nie auszunutzen verstanden. So haben denn die Nama
immer wieder ränberische Einfälle in das Gebiet der Herero unternommen.
— Für die Kultnr zeigen beide Völker unverkennbare Anlagen uud
sind namentlich auch den Lehren des Christentums zugänglich. Sie
sprechen neben ihrer Muttersprache einen in Südafrika sehr verbreiteten
holländischen Dialekt, ahmen mit Geschick europäische Kleidung nach,
und manche lernen sogar lesen, schreiben und rechnen.
3. Kolonialthätigkeit. Die kriegerischen Unruhen brachten auch für
die Kolonialthätigkeit allerlei Wirren mit sich und führten zur Bildung einer
kleinen Schutztruppe, die in Windhoek, einer Grenzstation zwischen Nama-
und Hereroland, ihren Aufenthalt hat, aber bei weitem nicht stark genug ist,
um den Wirren mit Nachdruck ein Ende zu machen.
Bezuglich der Kolonialthätigkeit befürworten hervorragende Forscher in
erster Linie Anlage von Biehzuchtkolonieen. „Alles kommt hier diesem
Zweck entgegen: die unermeßlichen Ebenen, welche eine freie Bewegung der
Tiere ermöglichen, der nicht so leicht zu erschöpfende Reichtum an nahrhaftem
Gras, dazu ein Klima, das dem Vieh gestattet, das ganze Jahr hindurch im
freien zu sein. Kostspielige Stallbauten, mühsames Futtereinsammeln, ebenso
ein zahlreiches menschliches Bedienungsmaterial sind in diesem Schäfereldorado
unnötig . ^ . Schon eine rationell und in großem Maßstabe betriebene Pferde-
zucht müßte treffliche Resultate ergeben, . . . und schon an der Garnison
des Kaplandes würde man eine gute Abnehmerin finden." (Dr. Bernhard
Schwarz). „Wenn erst in Groß-Namaland ein paar Tausend Schafe weiden,
so wird sich bald der eine und andere Kolonist einfinden, der seinen Lebens-
unterhalt und den andern der Ackerkrume abgewinnt, und wenn erst dieser
Unfang gemacht, so wird die Weiterentwickelung so gut ihren Gang finden, wie dies
rn der Karroo heute der Fall ist." (Dr. Hans Schinz). Auch die im Kaplande
m,t bestem Erfolge eingebürgerte Straußenzucht könnte in das deutsche
Tromnau, Lehrbuch der Schulgeographie II. 7