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Umschwung in dem nationalen Leben der Deutschen seit 1870/71 auch
an unsern Stammesbrüdern jenseits des Meeres nicht spurlos vorüber-
gegangen, so daß sich jetzt mehr denn je das Bestreben zeigt, das
deutsche Volkstum wenigstens in Gebieten mit zahlreicher deutscher
Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Die meisten Deutschen leben in
dem n. Landesstrich, der sich von New-Iork bis St. Louis hinzieht.
In den Nord- und Binnenstaaten kommen noch Jrläuder, Schweden,
Schweizer und Holländer vor. — Die Romanen (Franzosen
und Spanier) sind mehr in den Südstaaten vertreten, weniger
arbeitsam als der Aaukee, aber gastfrei, ritterlich, wenn auch ausbrauseud
und zur Selbsthülfe geneigt.
Die Farbigen machen den übrigen Teil der Bevölkerung aus.
Die Anzahl der Neger und Mulatten beträgt fast 9 Mill. Sie
kommen besonders in den Südstaaten vor. Hier ist jeder zweite
Bewohner ein Neger oder ein Mnlatte (Vgl. S. 107). Zu der
farbigen Bevölkeruug gehören ferner die Indianer und die Chinesen.
Die Neger in der Union werden von Professor Knortz in Evansville
(Indiana) auf Grund der letzten amtlichen Statistik auf gegen 9 Mill. Köpfe
geschätzt. Unter den landläufigen Vorstellungen vom amerikanischen Neger
stehen zwei Ansichten einander gegenüber: einerseits meint man, er sei nicht '
civilisationsfähig und dem Untergange geweiht; andererseits denkt man, daß
er in Wirklichkeit alle Rechte eines amerikanischen Bürgers genieße. Keine der
beiden Ansichten ist die richtige. Im Jahre 1870 gab es nach dem offiziellen
Cenfus 4 880000 Neger im Unionsgebiet; 1882 war ihre Zahl bereits auf
6577000 gestiegen, und heute beläuft sie sich auf gegen 9 Millionen. Das
sieht nicht darnach aus, als ob der Neger den Kampf ums Dasein im Lande
der Iankees nicht zu bestehen vermöchte. Der Neger ist ein geborener Optimist,
der sich durch nichts seine gute Laune verderben läßt und die Beleidigungen
des Weißen mit Gleichmut erträgt. In der Theorie sind natürlich alle Bürger
vor dem Gesetze gleich, in der Praxis aber noch lange nicht. Namentlich in
den Südstaaten, aber auch im Norden findet man für eine strafrechtliche That
des Weißen wohl eine Lücke im Gesetz; wehe, aber dem Schwarzen, der sich
des geringsten Vergehens schuldig macht! Ähnlich ist es in gesellschaftlicher
Hinsicht. Man hat den Negern schon besondere Kirchen, Schulen, Hotels usw.
angewiesen, meidet den Verkehr mit ihnen und sucht ihren Einfluß auf öffent-
liche Angelegenheiten illusorisch zu machen. Dennoch entwickelt sich die schwarze
Bevölkerung nicht nur körperlich, sondern auch in geistiger Hinsicht. Im
Süden giebt es 16000 Negerschulen, 22 höhere Schulen, 71 Lehrerseminare,
24 theologische Anstalten, 15 Juristenschulen und endlich 2 Farmerschulen.
Auf dem Gebiete der Journalistik haben die Neger im letzten Jahrzehnt er-
staunliche Fortschritte gemacht. 1890 erschienen bereits 154 von Negern ge-
druckte und redigierte Zeitungen. Gegenwärtig wird lebhaft dafür agitiert, den Neger
zum tüchtigen Farmer und Handwerker heranzubilden. Alle Anzeichen sprechen
dafür, daß die Neger in nicht allzuferner Zeit aus eigener Kraft zu den nütz-
lichsten Bürgern der Union zählen werden.
Die Indianer des Unionsgebietes sind nach der letzten Zählung noch
383000 Köpfe stark. Davon sind nur etwas über 70000 civilisiert; die
übrigen führen im Jndianer-Territorium und den Reservationen
ein mildes Jägerleben. Nur einige Stämme treiben auch eiwas Ackerbau.
Ihren Vorfahren gehörte einst das ganze Unionsgebiet. Als kühne Jäger
stellten sie dem Büffel, dem grauen Bär, dem Hirsch und dem Bergschaf nach.
In blutiger Stammesfehde bekämpften sie den Feind mit Leidenschaft, ^ List
und Grausamkeit und hingen seinen Skalp als Siegeszeichen in den Rauch
ihres Wigwam. Nach beendetem Kampfe wurden Kriegsschmuck und Kriegs-
Malerei vom Körper entfernt, der Tomahawk vergraben, und die Friedenspfeife