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Der Baikalsee, ein tiefer, fischreicher Süßwasser-Gebirgssee, ist das
größte stehende Gewässer Sibiriens. Er ist so lang wie das Adriameer. 63 mal
so groß, als der Bodensee oder doppelt so groß, als die beiden Großherzogtümer
Mecklenburg. Seine Ufer sind von steilen Gebirgsketten eingeschlossen. Die
Schisfahrt wird durch die starken Nordweststürme sehr gefährdet, dagegen gestattet
im Winter die starke Eisdecke einen regen Berkehr zwischen den einzelnen Ufer-
gebieten. Den Tungufen gilt der See als heilig und von einer Gottheit beschützt.
Die Lena entquillt dem nw. Berglande des Baikalsees, macht in ihrer
Laufentwickelung einen starken Bogen nach £)., nimmt unterhalb Jakutsk den
Aldan auf und mündet in einem großen Delta ins Eismeer. Die Lena ist
äußerst fischreich und zu beiden Seiten bis weit nach N. hin mit dichten Wäldern
bestanden. Im Deltagebiet und auf den vorgelagerten neusibirischen Inseln
gruben glückliche Unternehmer viel „fossiles Elfenbein" (vom Mammut). Ja,
im Eisboden wohlerhalten, fanden sich ganze Mammuts mit zottigem Fell.
b) Das w e st sibirische Tiefland dehnt sich w. vom Jenesfei bis
zum Ural aus und reicht in ns. Richtung vom Eismeer bis znr ab-
flnßreichen tnranischen Niederung. Entwässert wird das Land durch
das Stromsystem des O b, welcher vom Altai kommt, in seinem mittleren
Lause links den Jrtisch mit dem Tobol aufnimmt und in breiter,
meerbusenartiger Mündung in das Eismeer tritt.
Der S. ist ein weites Steppengebiet, welches von dem No-
madenvolke der Kirgisen durchschweift wird. N. vom 55 0 n. Br. zieht sich
vom Ural bis zum Altai und Baikalsee ein etwa 400 km breiter
Gürtel fruchtbaren Kulturlandes hin, das sich infolge reich-
licher Niederschläge und hinreichender Jahreswärme zum Ackerbau wohl
eignet. Noch weiter nach N. erstreckt sich bis zum Polarkreis ein breiter
Gürtel von Nadelholzwaldungen (Lärchen- und Fichtenbe-
stände) von den Niederungen des Ob 4 800 km gen O. bis über den
140.° ö. v. Gr. hinaus in einer Breite von 2 600—2 700 km. Dies
Gebiet der Taigas nnd Urmans ist das größte Waldgebiet
der Erde. Allerlei Pelztiere (Zobel, Hermelin, Polarfuchs, Bär,
Eichhörnchen) haben hier ihre Heimat. Den äußersten Nordrand
Sibiriens erfüllen die Sumpf- und Moosflächen der öden Tundra.
Die Tundra ist die unabsehbare Wüste des Nordens. Im S. grenzt sie
an den Gürtel undurchdringlicher Wälder; im N. verschmilzt sie mit der
dämmernden Fläche des Eismeers. Während des 8—9 monatelangen Winters
ist die gefrorene, schneeweiße Tundra eine grenzenlose, blendend weiße Ebene.
Die Riesenströme liegen unter dicker Eisdecke. Tage, Wochen kann das flüchtige
Gefährt des Reisenden über die Schneewüste gleiten, ohne eine menschliche
Wohnung anzutreffen. Die Sonne erhebt sich wochenlang garnicht bis über
den Horizont; der Silberglanz des Mondes und die Strahlengarben des Nord-
lichtes erhellen das lange nächtliche Dunkel. Oft braust die „Purga", der
grausige Schneesturm der Tundra, in furchtbarer Macht über^ die Schneeöden
und begräbt unter ihren lawinenartigen Schneemassen die Hütten der Ein-
geborenen. Der König der Tiere in jener „Zone des Eises" ist der Eisbär;
weiter f. hausen Wolf, Polarfuchs und das wilde Renntier. — In dem kurzen
Sommer zeigt die Tundra ein ganz anderes Bild. Der Moorboden taut "inige
Zoll auf, bildet Sümpfe, Seen und Rinnsale, deren Ufer sich mit Laubmoosen,
Flechten. Gräsern, Zwergweiden, und Beerenstauden bedecken. Hier weidet de^
Samojode seine Renntierherden, begleitet vom Hunde, dem zweiten Haustier
des Nordens. Von S. her ziehen zahllose Scharen von Polarenten, Gänsen
und Schwänen heran, und erfüllen die Luft mit betäubendem Geschrei und
Geschnatter. Wolken von Mücken und Bremsen sind in dieser kurzen So.nmers-
zeit eine Landplage für Menschen und Vieh.