Full text: Europa (Teil 2, Abt. 2)

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Die Mittelalpen weisen in den Niedern Gebieten (bis 1 900 in) 
noch stattliche Nadelholzbestände von Fichten, Lärchen und Baumföhren, 
schöne Bergwiesen und vereinzelte Ansiedelungen ans. Weiter aufwärts 
finden sich nur Zwergfichten und Knieholz. Die Gehänge werden immer 
steiler uud umschließen vielfach in kahlen Schroffen die beschwerlich zu 
durchklimmenden -Täler. Brausend stürzen die tosenden Wildbäche über 
steile Felswände in tiefe Schluchten. Breite Gletscherzungen senken sich 
talabwärts, umrahmt von ausgedehnten Schutt- uud Trümmerhalden. — 
Aber neben den schauerlichen Bildern dieser Region breitet sich auch 
der schöne, gras- und blumenreiche Teppich der Alpen triften aus. 
Auf diesen weidereichen Almen finden zur Sommerszeit zahlreiche 
Viehherden Nahrung. Angelehnt an die schützende Felsenwand, erhebt- 
sich auf steinernem Unterbau die hölzerue Sennhütte. Das breite 
Dach derselben« ist mit großen Steinen beschwert, damit der Sturm 
dasselbe nicht forttragen kann. Eine schützende Hürde nimmt auf dem 
freien Platz bei der Sennhütte abends die Herde auf. Allwöchentlich 
werden die fetten Schweizerkäse von der Alm zu Tal geholt. Nach 
einem Aufenthalt von 15—18 Wochen zwingt die eintretende rauhe. 
Witterung den Senn oder die Sennerin, die Herde zu Tal zu führen.*) — 
Auf schwer zugänglichen Höhen und Berggehängen folgt der Jäger 
der Spur der scheueu Gemse.**) Steinbock, Alpenhase und 
Murmeltier haben in den Mittelalpen ihre Heimat, auch der Bär 
kommt noch vor; hoch auf unzugänglichen Felsen horsten Lämmer¬ 
geier und Adler. 
Die Hochalpcn liegen jenseits der Firngrenze (bei 2 600 m)>i 
und sind das Gebiet des „ewigen" Schnees und die Heim- 
statte der Lawinen und Gletscher. Letztere kommen allerdings 
erst in den Mittelalpen zur Entwicklung, haben aber in den Hochalpen 
ihren Ursprung. Der größte Alpengletscher ist der Aletsch gletscher 
(24 km lang). Andere bedeutende Gletscher sind das Eismeer (mer 
de glace) des Montblanc, der Rhone-, der Rheinwald-, der Aare- 
nnd der Grindelwaldgletscher. — Eine eigenartige Erscheinung der. 
*) „Ihr Matten, lebt wohl, 
Ihr sonnigen Weiden! 
Der Senne muß scheiden, 
Der Sommer ist hin!" 
Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder, 
Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder. 
Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu, 
Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai." 
(Schiller, „Wilhelm Tell.")- 
**) „Es donnern die Höhen, es zittert der Steg, 
Nicht grauet dem Schützen vor schwindlichtem Weg. 
Er schreitet verwegen auf Feldern von Eis; 
Da blühet kein Frühling, da grünet kein Reis. 
Und unter den Füßen ein neblichtes Meer, 
Erkennt er die Stätte der Menschen nicht mehr. 
Durch den Riß nur der Wolken erblickt er die Welt 
Tief unter den Wassern das grünende Feld." 
(Schiller, „Wilhelm Tell.") 
Bergl. auch Schillers Gedicht: „Der Alpenjäger."
	        
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