Full text: Das Deutsche Reich (Teil 2, Abt. 3)

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Stromstrecke der oberrheinischen Tiefebene sich die Schiffahrt für sich entwickelte, 
ehe sie durch die Befchiffung des Dmchbruchtales eine einheitliche wurde. An 
der Öffnung des Binger Rheintores sollen bereits Drusus, Karl der Große und 
verschiedene Mainzer Erzbifchöfe gearbeitet haben; im 17. Jahrhundert kam es 
darin durch die Bemühungen Frankfurter Handelsfirmen ein gut Stück vorwärts; 
doch war die Stelle nur bei hohem Wasserstande ohne Gefahr zu passieren und 
die Bergfahrt felten möglich. Die meisten der stromaufwärts kommenden Schiffe 
mußten" vor dem Binger Loch gelöscht und die Waren zu Lande nach Mainz, 
oder Frankfurt gebracht werden. Erst seitdem Preußen hier am Rhein festen 
Fuß gefaßt hat, sind durch Sprengungen im Flußbett, die bis in die neuste Zeit 
fortgesetzt wurden, alle Verkehrsschranken gefallen und der Schiffahrt vollkommen 
freie Bahn gebrochen. 
Die zweite gefährliche Stelle des Durchbrnchtales war derLnrlei- 
feljen*), der am rechten User unterhalb Oberwesel an der engsten 
Stelle des Tales keck und wild vorspringt. Durch Heines Lied hat 
dieser Felsen mit seinem 15 maligen Echo Volkstümlichkeit erlangt. 
Unvorsichtig geführte Schiffe laufen auch heute noch Gesahr, zerschellt 
zu werden. Heute führt durch den Lurleiselsen ein Tunnel der Rhein- 
L a h n b a h n. 
Bon der Natur des südlichen Durchbruchstales entwirst Kutzen folgende 
farbenprächtige Schilderung: „Wer bei dem herrlichen Felsentore bei Bingen in 
die lange, enge Schlucht hineinblickt, welche hier den Rhein gegen Koblenz hin 
zu durchströmen beginnt, wer aus dem breiten rheinischen Oberlande, vielleicht 
durch die schönen Porphyrberge der heiteren Pfalz verwöhnt, hier stromabwärts 
fährt, dem wird sich hier das Gepräge des hoch emporstarrenden, ernsten und 
grauen Schiefergebirges fast zum Wilden und Erhabenen steigern, zumal wenn 
ein grau bedeckter Himmel den Felsgebilden eine düstere, unheimliche Färbung 
verleiht. Aber setzt er, begünstigt von heiterem Wetter, in dem Stromtale die 
Reife weiter fort, so mildert sich der erste Eindruck und wird durch andere 
Überraschungen und Genüsse überboten. Das Auge wird gefesselt durch die 
prachtvollste, wechselnde Beleuchtung mit ihrem scharfen Schatten und bunten 
Lichtblicken auf Fels und Land; durch den Anblick der Weinrebe, die in weit- 
gedehnten Geländen Felsengebilde voll Mannigfaltigkeit von unten bis oben 
überkleidet, oder doch in einzelnen Gruppen zwischen Busch und Stein sich 
einen Platz errungen hat, durch die Pracht edler Obstbäume und stattlicher, ost 
mit Efeu umwundener Walnußbäume, die mit dem Zauber ihrer Blütenfülle 
im Frühjahr, dem schwerbelastenden Segen im Herbste an ähnliche Erscheinungen 
beglückter Gaue des südlichen Tirol erinnern: durch die, wenn auch im Innern 
weniger freundlichen und wohnlichen, doch vom Strome aus um so malerischer 
sich darstellenden Dörfer, Flecken, kleinen Städte, sei es, daß sie einzeln oder 
im Zusammenhange oder in naher Nachbarschaft, daß sie auf einem Vorsprunge 
dicht am Ufer hingestreckt sich zeigen oder in den Ausgang eines Seitentals 
hineinziehen: durch Kirchen edelsten Stils oder durch deren ehrwürdige Ruinen, 
welche die Erinnerung an eine der herrlichsten Blütezeiten der Baukunst wecken, 
und aus deren schön profilierten Fenster- und Gewölbebogen (z. B. an der 
Wernerskirche bei Bacharach), bewundernswürdige Fernsichten sich öfters so 
trefflich einrahmen; durch die freundlichen, zierlichen und stattlichen Villen, 
Schlösser und ihrem Versall entrissenen Burgruinen; durch die grinsenden Über¬ 
*) Von den zahlreichen Deutungen dieses Namens ist keine recht sicher. 
Einige seien hier angeführt. Lei bedeutet im Gebiete des Schiefergebirges 
Schieferstein: lor, keltisch =-• Ecke, demnach der ganze Name Felsen ecke. — 
Lore = Schiefer, lei = Fels, also Schieferfels. —Lurleien bedeutet 
nachsprechen; demnach würde sich der Name auf das Echo des Felsens be- 
ziehen. —^Lören = heulen, laut jammern (so noch in Luthers Werken)^ 
Lore = Totengesang, lei = Felsen, also Totengesangfelsen. Diese Er- 
klärung bezieht sich auf den Todesschrei der versinkenden Fifcher. — Andere 
Erklärungen sind Lauerfels und um brandete Felsklippe.
	        
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