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Doch könnt ihr mich des Grams
entbinden?
Ich lasse meinen Freund zurück.
Du gingst, Eurydicen zu finden;
Der Hades barg dein süßes Glück.
Da wie ein Traum zerronnen,
Was dir dein Lied gewonnen.
Verfluchtest du der Sonne Blick. —
Ich muß hinab, ich will nicht zagen!
Die Götter schauen aus der Höh'.
Die ihr mich wehrlos habt erschlagen,
Erblasset, wenn ich untergeh'!
Den Gast, zu euch gebettet,
Ihr Nereiden, rettet!"
So sprang er in die tiefe See.
Ihn decken alsobald die Wogen.
Die sichern Schiffer segeln fort.
Delphine waren nachgezogen.
Als lockte sie ein Zauberwort.
Eh' Fluten ihn ersticken.
Beut einer ihm den Rücken
Und trägt ihn sorgsam hin zum Port.
Des Meers verworrenes Gebraust
Ward stummen Fischen nur verliehn;
Doch lockt Musik aus salz'gem Hause
Zu frohen Sprüngen den Delphin.
Sie konnt' ihn oft bestricken,
Mit sehnsuchtsvollen Blicket
Dem falschen Jäger nachzuziehn.
So trägt den Sänger mit Entzücken
Das menschenliebend sinn'ge Thier;
Er schwebt auf dem gewölbten Rücken,
Hält im Triumph der Leier Zier
Und kleine Wellen springen,
Wie nach der Saiten Klingen,
Rings in dem bläulichen Revier.
Wo der Delphin sich sein entladen.
Der ihn gerettet uferwärts,
Da wird dereinst an Felsgestaden
Das Wunder aufgestellt in Erz.
Jetzt, da sich jedes trennte
Zu seinem Elemente,
Grüßt' ihn Arions volles Herz:
„Leb' wol! und könnt' ich dich be¬
lohnen.
Du treuer, freundlicher Delphin!
Du kannst nur hier, ich dort nur
wohnen;
Gemeinschaft ist uns nicht verliehn.
Dich wird auf feuchten Spiegeln
Noch Galathea zügeln;
Du wirst sie stolz und heilig ziehn." —
Arion eilt nun leicht von hinnen.
Wie einst er in die Fremde fuhr;
Schon glänzen ihm Korinthos Zinnen,
Er wandelt singend durch die Flur.
Mit Lieb' und Lust geboren,
Vergißt er, was verloren.
Bleibt ihm der Freund, die Zither nur.
Er tritt hinein! „Vom Wanderleben
Nun ruh' ich, Freund, an deiner Brust.
Die Kunst, die mir ein Gott gegeben.
Sie wurde vieler Tausend Lust.
Zwar falsche Räuber haben
Die wolerworbnen Gaben,
Doch bin ich mir des Ruhms bewußt."
Dann spricht er von den Wunder¬
dingen,
Daß Periander staunend horcht.
„Soll jenen solch ein Raub gelingen?
Ich hätt' umsonst die Macht geborgt?
Die Thäter zu entdecken.
Mußt du dich hier verstecken.
So nahen sie wol unbesorgt."
Und als im Hafen Schiffe kommen,
Bescheidet er sie zu sich her.
„Habt von Arion ihr vernommen?
Mich kümmert seine Wiederkehr."
„Wir ließen recht im Glücke
Ihn zu Tarent zurücke."
Da, siehe! tritt Arion her.
Gehüllt sind seine schönen Glieder
In Gold und Purpur wunderbar.
Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein langer, faltiger Talar.
Die Arme zieren Spangen,
Um Hals und Stirn und Wangen
Fliegt duftend das bekränzte Haar.