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Brüder Grimm: Die Gänsehirtin am Brunnen. 
ging. Der König sprach: „Meine Töchter, ich weiß nicht, wann mein letzter 
Tag kommt; ich will heute bestimmen, was eine jede nach meinem Tode er— 
halten soll. Ihr alle habt mich lieb, aber welche mich von euch am liebsten hat, 
die soll das Beste haben.“ Jede sagte, sie hätte ihn am liebsten. Könnt 
ihr mir's nicht ausdrücken,“ erwiderte der König, „‚wie lieb ihr mich habt? 
Dann werde ich sehen, wie ihr's meint.“ Die älteste Tochter sprach: „Ich 
habe den Vater so lieb wie den süßesten Zucker“; die zweite: „Ich habe den 
Vater so lieb wie mein schönstes Kleid“; die jüngste aber schwieg. Da 
fragte der Vater: „Und du, mein liebes Kind, wie lieb hast du mich?“ 
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie, „und kann meine Liebe mit nichts ver⸗ 
gleichen.“ Aber der Vater bestand darauf, sie müßte etwas nennen. Da 
sagte sie endlich: „Die beste Speise schmeckt mir nicht ohne Salz, darum 
habe ich den Vater so lieb wie Salz.“ Als der König das hörte, geriet er 
in Zorn und sprach: „Wenn du mich liebst wie Salz, so soll deine Liebe 
auch mit Salz belohnt werden.“ Da teilte er das Reich zwischen den beiden 
älteren, der jüngsten aber ließ er einen Sack mit Salz auf den Rücken 
binden, und zwei Knechte mußten sie hinaus in den wilden Wald führen. 
„Wir haben alle für sie gefleht und gebeten,“ sagte die Königin, „aber der 
Zorn des Königs war nicht zu erweichen. Wie hat sie geweint, als sie uns 
berlassen mußte! Der ganze Weg ist mit Perlen besäet worden, die ihr aus 
den Augen geflossen sind. Den König hat bald hernach seine große Härte 
gereut, und er hat das arme Kind in dem ganzen Wald suchen lassen, aber 
niemand konnte sie finden. Wenn ich denke, daß sie die wilden Tiere ge— 
fressen haben, so weiß ich mich vor Traurigkeit nicht zu fassen; manchmal 
tröste ich mich mit der Hoffnung, sie sei noch am Leben und habe sich in 
einer Höhle versteckt oder bei mitleidigen Menschen Schutz gefunden. Aber 
stellt Euch vor: Als ich Euer Smaragdbüchslein aufmachte, lag eine Perle 
darin, gerade der Art, wie sie meiner Tochter aus den Augen geflossen sind; 
da könnt Ihr Euch denken, wie mir der Anblick das Herz bewegt hat. Ihr 
sollt mir sagen, wie Ihr zu der Perle gekommen seid!“ Der Graf erzählte 
ihr, daß er sie von der Alten im Walde erhalten hätte, die ihm nicht ge— 
heuer vorgekommen wäre und eine Hexe sein müßte. Von ihrem Kinde aber 
hatte er nichts gehört und gesehen. Der König aber und die Königin faßten 
den Entschluß, die Alte aufzusuchen, weil sie dachten, wo die Perle gewesen 
wäre, da müßten sie auch Nachricht von ihrer Tochter finden. 
Die Alte saß draußen in der Einöde bei ihrem Spinnrad und spann. 
Es war schon dunkel geworden, und ein Span, der unten am Herde brannte, 
gab ein sparsames Licht. Auf einmal ward's draußen laut; die Gänse kamen 
heim von der Weide und ließen ihr heiteres Gekreisch hören. Bald hernach 
trat auch die Tochter herein. Aber die Alte dankte ihr kaum und schüttelte
	        
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