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ei bringen lassen — so auf die Spitze zu stellen, dass es nicht um¬
fällt?“ Die Excellenz versuchte von der einen, ivie von der andern
Seite vergeblich, das Ei zum Stehen zu bringen. Der Nachbar bat
sich es aus, es gelang ihm ebenso ivenig; nun drängten sich die
anderen dazu, ein jeder wollte den Preis gewinnen, allein weder
mit Eifer noch mit Ruhe war es möglich, das Kunststück auszu¬
führen. „Es ist unmöglich“! riefen die Hidalgos,*) „Dir verlangt
Unausführbares“! — „Und doch“, sagte Columbus, „werden diese
Herren sogleich sagen: Das kann ein jeder von uns auch!“ Jetzt
nahm er das Ei und setzte es mit einem leichten Schlage auf den
Tisch, so dass es auf der eingedrückten Schale feststand. — „Ja,
das kann ein jeder von uns!“ riefen die Hidalgos.
Seitdem hört man oft sagen, wenn eine glückliche Erfindung
gemacht wurde, zu ivelcher ein jeder sich klug genug dünkt: „Das
Ei des Columbus!“ Förster.
37. Züge ans Luthers häuslichem Leben.
Luther war freigebig wie selten ein Reicher. Freilich schützte er,
während er allerwegs die Not seiner Nächsten zu lindern beflissen war, seine
eigene Familie allzuwenig vor einer sorgenvollen Zukunft. Als ihn einer
seiner Freunde erinnerte, er möchte doch wenigstens zum Besten seiner
Familie ein kleines Vermögen sammeln, gab er zur Antwort: „Das werde
ich nicht thun; denn sonst verlassen sie sich nicht auf Gott und ihre Hände,
sondern auf ihr Gold."
Notleidenden gab Luther, so lange er noch etwas hatte, ja man kann
sagen, auch dann noch, wenn er nichts mehr hatte, wie folgendes Beispiel
beweist. Einst kam ein Mann, der sich in Geldnot befand, auf Luthers
Studierzimmer und bat ihn um eine Unterstützung. Luthern gebrach es
aber damals gleichfalls an Geld; und da er doch gerne helfen wollte, besann
er sich, holte das Patengeld seines jüngstgeborenen Kindes und gab's dem
Bittenden. Katharina, welche davon nichts wußte, merkte es aber doch bald
an der Leere der Sparbüchse und war etwas ungehalten über die unbedachte
Großmut ihres Mannes. Luther aber entgegnete ihr: „Laß es gut sein!
Gott ist reich, er wird anderes bescheren."
War in Luthers Hause das Mittagsmahl mit sinnreichen Reden gewürzt,
so verschönte den Abend meistenteils Musik und Gesang. Einer unserer
neueren Dichter hat den Ausspruch gethan:
Wo man singt, da laß dich ruhig nieder;
böse Menschen haben keine Lieder.
Wer am Abend vor Luthers Hause vorüber ging, der konnte es deutlich und
mit andächtiger Freude hören, daß darinnen gute Menschen wohnten. Luther
selbst begleitete den Gesang mit Flötenspiel oder mit der Laute. „Musica",
pstegte er zu sagen „ist das beste Labsal einem betrübten Menschen, dadurch
Der Hidalgo, pl. die Hidalgos, ein Edelmann, Adeliger in Spanien.