Contents: Deutsches Lesebuch für Volksschulen

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16. Wie Siegfried hörnern ward. 
§n uralter Zeit herrschte im Niederland zu Santen am Rheine 
ein mächtiger, weit berühmter König, Siegmund genannt. Er hatte 
einen Sohn, Siegfried, der war groß und von unbändiger Kraft. 
Sein kühner Muth trieb ihn in die Ferne, um Abenteuer auf¬ 
zusuchen. Da kam er einst in ein Dorf, das vor einem dichten 
Walde lag. Hier verdang er sich bei einem Schmied, um sich Waffen 
schmieden zu lernen. Aber er schlug mit so grausamer Stärke auf 
das Eisen, daß die dickste Stange in Stücke sprang und der Ambos 
in den Erdboden versank. Der Meister erschrak darüber gewaltig 
und sann darauf, wie er sich des wilden Gesellen entledigen könnte. 
Er schickte Siegfried in den Wald, ihm bei einem Köhler Kohlen zu 
holen, eigentlich aber, damit ihn ein im Walde hausender Drache 
umbringe. Siegfried ging ohne Sorge in den Wald. Als er aber 
in die Nähe der Linde kam, schoß der gräuliche Wurm auf ihn los, 
um ihn zu verschlingen. Der Held nicht faul, reißt den ersten besten 
Baum aus der Erde und wirft ihn auf das Ungethüm. Der Lind¬ 
wurm verwickelt sich mit seinem gräulichen Schwänze in die Äste 
des Baumes. Schnell wirft Siegfried immer mehr Bäume auf ihn, 
läuft dann zum Köhler, holt sich Feuer und setzt den ganzen Holz¬ 
haufen in Brand. Da begann von der großen Gluth die Hornhaut 
des Drachen zu schmelzen und floß in einem Strome unter dem 
brennenden Holzstoß hervor. Neugierig tauchte Siegfried einen Finger 
in die Fluth, und siehe da, als er ihn wieder zurückzog, war er mit 
einer festen Hornhaut überzogen. Schnell entkleidete sich der junge 
Held und badete sich in dem flüssigen Hörne. Dadurch wurde er 
am ganzen Körper mit einer undurchdringlichen Hornhaut bekleidet, 
eine einzige kleine Stelle zwischen den Schultern ausgenommen, wo¬ 
hin ihm beim Baden ein Lindenblatt gefallen war. Nur an dieser 
Stelle war der hörnerne Siegfried fortan verwundbar. 
17. Der Nibelungenhort. 
o^s waren einst zwei Königssöhne, Schilbung und Nibelung, 
die wohnten in einem hohlen Berge und herrschten über: Zwerge und 
starke Mannen. In dem Berge aber hatten sie einen schätz liegen, 
Hort der Nibelungen genannt, de.' war so reich an Gold und Edel¬ 
steinen, daß hundert Doppelwagen ihn in dreißig Tagen nicht Hütten 
laden können. Auch lagen kostbare Ringe dabei und eine goldene 
Wünschelruthe, außerdem auch ein Gewand (Kappe), das unsichtbar 
machte und Tarnkappe genannt wurde. ^Gerade als die beiden jungen 
Könige den Schatz theilen wollten, kam Siegfried vor den Berg, und 
weil sie nicht eins werden konnten, wühlten sie Siegfried zum Schieds-
	        
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