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13. Die deutschen Alpen.
Von Hermelin den Mantel umgeschlagen,
Das trnnkne Haupt weit über mir im Blauen
Die Alpen — wie so stolz darein sie schauen,
Als wüßten sie, daß sie den Himmel tragen
Gleich leichtbeschwingten Liebesboten jagen
Die Silberströme hin durch Nacht und Grauen,
Dem Ozeane von den hohen Frauen
Manch einen sehnsuchsvollen Gruß zu sagen.
Die Herden läuten und die Adler fliegen,
Das ist ein ewig Rauschen, ewig Rinnen,
Als könnt das Leben nimmer hier versiegen.
Läßt sich ein schöner, schöner Bild ersinnen?
Und doch Hab' ich das Schönste noch verschwiegen:
Den frommen, stillen Friedhof mitten drinnen.
Georg Herwegh.
Ehe wir den deutschen Alpen im besonderen unsere Aufmerksamkeit
widmen, müssen wir uns den Alpen im allgemeinen, vor allem ihrer
Entstehung und Gliederung, zuwenden.
Der mächtige Alpenwall im Süden unsers deutschen Vaterlandes hebt
sich scharf von den ihn umgebenden Bodenformen, ob Ebene oder Hoch-
land. ab. Schroff steigt er aus der Lombardischen Tiefebene empor. Nicht
ganz so steil fallen die Alpen nach Norden hin ab, wenngleich auch hier
schroffe Formen in den Kalkalpen, z. B. in den Bayrischen Alpen, sich
erkennen lassen.
Den einigenden Punkt in den Alpen bildet !bie Montblanc¬
gruppe. Hier stoßen Italien, Frankreich und die Schweiz zusammen.
Hier haben die Alpen ihre geringste Ausdehnung. Von hier verläuft ein
schmalerer Alpenzug nach Süden und ein mehr und mehr in die Breite
gehender nach Osten, so daß der ganze Alpenwall 1000 km lang
in einem nach Südosten offenen Bogen vom Ligurischeu Meerbusen bis
zur Donau bei Wien und bis an den Karst verläuft. Seine Breite wächst
nach Osten hin nahezu um das dreifache, von 125 km bis auf 350 km.
Die Alpen sind ihrer Entstehung nach ein noch junges Gebirge;
denn erst in einer neueren geologischen Periode, in der Tertiärzeit (Braun-
kohlenzeit) ist der Hauptaufbau der Alpen erfolgt. (Wir dürfen nie
vergessen, daß, sobald wir von einer geologischen Periode, vom Entstehen
einer Erdschicht oder Formation reden, stets Jahrtausende von Jahren
in Betracht kommen.) Die Alpen sind ein Faltengebirge. Die seit-
lich (horizontal) wirkende, faltende Kraft setzte von Süden, von der
Lombardischen Tiefebene her, ein. Der erste Beginn der faltenden Wir-
kung reicht bis in eine der ältesten geologischen Zeiten zurück, bis in
die Zeit, welche der Entstehung unserer Steinkohlenlager folgte. Diese
Faltungen waren grundlegend für alle weiteren, durch die nächsten
geologischen (mittelzeitlichen) Zeitalter (die Trias-, die Jura- und die
Kreidezeit) folgenden und in der Tertiär- oder Braunkohlenzeit (Beginn