Full text: Physische und politische Erdkunde der außerdeutschen Länder Europas und Amerikas (Teil 2)

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afrikanischen Küste bis auf etwa 140 km. Von der Hauptmasse des 
Kontinents scheidet sie der Alpenwall, über den aber andererseits eine 
Reihe gut passierbarer Pässe und Gebirgsstraßen führen, welche eine für 
den Handel günstige Verbindung mit den nördlichen Nachbarstaaten, 
Frankreich, der Schweiz, Deutschland und Österreich-Ungarn, 
herstellen. Im Osten wird sie vom Adriatischen, im Südosten vom 
Jonischen Meere, im Süden vom Mittelmeere, im Westen vom 
Tyrrhenischen und Ligurischen Meere bespült. 
Italien scheint von der Natur zum Mittelpunkt des ganzen 
Mittelmeerbeckens bestimmt zu sein. Es bildet nicht nur eine Brücke 
zwischen den nördlichen und südlichen Ufern des Mittelmeeres, es schiebt 
sich mit seinem kontinentalen Teil, der Potiesebene, nicht nur weit in 
den Stamm Europas hinein, so daß es „als ein weit in das Mittel- 
meer hinausgebauter Landungssteg Mitteleuropas erscheinen muß" (Alpen- 
Pässe), sondern es liegt auch etwa gleichweit entfernt von den beiden Aus- 
fahrten (bzw. Eingangsstraßen) des Mittelmeeres, nämlich von der Straße 
von Gibraltar, dem Zugang zum Atlantischen Ozean, und dem 
Kanal von Sues, dem Wege zu den Kulturstätten des Indischen 
und Großen Ozeans. Durch seine langgestreckte Gestalt und seine 
ausgedehnten Küstenlinien ist es sowohl dem Verkehre mit dem Osten 
als auch mit dem Westen, dem die eigentliche Halbinsel ihr Antlitz zu- 
kehrt, erschlossen. So konnte Italien das ganze Mittelmeergebiet beHerr- 
schen und auch die vom Osten überkommene Kultur dem Westen und 
Nordwesten übermitteln. Freilich sind die Küsten Italiens nur zum 
Teil gegliederte Steilküsten und nicht in allen Teilen reich an 
Buchten (Meerbusen von Genua, Gaeta, Neapel, Salerno, Eufemia, 
Taranto u. a.) Doch hat sowohl die Ostküste wie die Westküste eine 
Reihe vortrefflicher Häfen, letztere naturgemäß mehr als erftere 
(Genua, Spezia, Gaeta, Neapel, Salerno, Palermo, Taranto, Brindisi, 
Ancona, Venedig), welche Handel und Verkehr begünstigen. 
So erklärt es sich, daß Italien fast zwei Jahrtausende hindurch den 
Mittelpunkt der Kulturwelt bildete. Das kam im Altertums zum 
Ausdruck durch das römische Weltreich, im Mittelalter durch die Macht 
des Papsttums und die Seeherrschaft der italienischen Städte (die großen 
Binnenstädte, wie Turin, Mailand, Florenz liegen der Küste auch nicht 
allzufern) und zu Ende des Mittelalters bis ins 16. Jahrhundert, im 
Renaissancezeitalter (Renaissance = Wiedergeburt), durch die Kunst und 
ihre Einwirkung auf Wissenschaft, Literatur und Gesellschaft. — 
Nach der Entdeckung Amerikas wurde der Mittelpunkt der Kulturwelt 
nach Westeuropa verlegt. 
Freilich führte die leichte Zugänglichkeit des Landes (Alpenpässe) im 
Verein mit den anziehenden, herrlichen landschaftlichen Schönheiten des 
„sonnigen Italien" dahin, daß es allezeit von fremden Völkern begehrt 
und so oft lange Zeit in seiner EntWickelung gehindert wurde. Aber
	        
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