besonders zum Zaren („Väterchen") hat er blindes Vertrauen. Seine
Genußsucht führt ihn freilich zu Habsucht, Geldgier und Diebstahl (National-
laster), Verschwendung und Trunksucht. Das Reinlichkeitsbedürfnis be-
friedigt er allwöchentlich nur einmal, wenn er ein Dampfbad nimmt, das
ihn dann für die ganze Woche frisch erhält. Der Großrusse ist geistig
sehr begabt und hat ein hervorragendes Sprachtalent, besonders im ge-
wandten Sprechen fremder Dialekte. Zum Ackerbau zeigt er wenig
Neigung, obwohl ihm dieser am nützlichsten sein würde (Hebung des
Landeswohlstandes). Dagegen ist er der geborene Kaufmann. Er handelt
und schachert, auch wenn er wenig Gewinn dabei hat. Dazu ist er auch in
mancherlei Gewerben geschickt (Schnitzereien, Spitzenklöppelei, Leinen- und
Wollweberei, Lederfabrikation u. a. m.).
Der Kleinrusse ist hochgewachsen und schlank. Auch er arbeitet
nicht gerade gern. Eine gewisse Schwermut ist ihm eigen. Er zeigt
nicht den Frohsinn und den Unternehmungsgeist des Großrussen, wenn
er diesem auch sonst in vieler Hinsicht ähnelt. Er besitzt zwar keine schnelle
Auffassungsgabe, aber das einmal Aufgenommene hält er fest. Klima
und Natur haben besonders sein Gefühlsleben stark ausgeprägt. Dieses
kommt z. B. in der Treue der Gatten, in der Zärtlichkeit für die Kinder
und in den Gesängen der wandernden Rhapsoden (gewöhnlich blinde
Bettler), welche die Taten der Altvordern besingen, zum Ausdruck.
Mißlingt ihm ein Unternehmen, so ertränkt er sein Leid in Branntwein,
dem auch er gern zuspricht. Er ist in erster Linie Ackerbauer oder Hirte
und hat wenig Anlage zu Handel und Gewerbe.
Der Weißrusse (helle Kleidung!) ist mittelgroß und hager, gut-
mutig, friedlich, arbeitsam und im Kampf ums Dasein niedergedrückt. „Der
wesentliche Faktor seiner Armut liegt wohl in der Unfruchtbarkeit des
Landes, in welchem ein toter Sand- und Lehmboden mit Seen, Sümpfen
und unabsehbaren Wäldern wechselt." Auch der Weißrusse spricht gern
dem Branntwein zu. An Feiertagen kann man wohl Männer, Frauen
und selbst Kinder in der Schenke finden. Dort suchen sie zugleich bei
Spiel und Tanz das arme Dasein für kurze Zeit zu vergessen.
Die Russen bekennen sich zur griechisch-katholischen Kirche.
Das Christentum wurde ihnen von Konstantinopel aus gebracht. 1589
wurde aber die russische Kirche unabhängig von Konstantinopel.
Mit der Volksbildung ist es ziemlich traurig bestellt. Noch ist
kein Schulzwang eingeführt. Nirgends in Europa ist die Zahl der An-
alphabeten so groß wie in Rußland. Nirgends freilich ist auch der
Unterschied zwischen arm und reich so kraß wie gerade hier (Wirren
im Innern).
In keinem Lande ist auch das Übergewicht der ländlichen Be-
völkerung über die städtische so groß wie in Rußland (85°/0).
Damit steht natürlich die geringe durchschnittliche Dichte der Be-
völkerung im engsten Zusammenhange (22 auf 1 qkm). Es wandern