Full text: Physische und politische Erdkunde der außerdeutschen Länder Europas und Amerikas (Teil 2)

steigerte sich unter den Bürgern so, daß man kaum noch für etwas 
anderes Sinn hatte. 
Die schwerste Probe seines Mutes hatte Luther noch zu bestehen. 
Der neue Kaiser KarlV. schrieb 1521 einen Reichstag nach Worms 
aus; hier sollte auch Luthers Sache entschieden werden. Der Kaiser 
sicherte dem Geladenen freies Geleit zu und ließ ihn durch einen 
Herold abholen. Die Freunde Luthers besorgten, daß dem Reformator 
Husens Schicksal zugedacht wäre, und rieten ihm ab, nach Worms zu 
reisen. Aber er blieb fest. Und wenn soviel Teufel in Worms wären, 
als Ziegel auf den Dächern, er wolle doch hinein. Am 17. April fand 
das erste Verhör statt. Anfangs blendete ihn der Glanz der hohen 
Versammlung. Als er gefragt wurde, ob er die in seinen Schriften ent¬ 
haltenen Lehren widerrufen wolle, bat er sich einen Tag Bedenk¬ 
zeit aus. Aber als er am 18. April zum zweiten Male vor dem 
Kaiser und den Fürsten stand, lehnte er mit sicherer Stimme den 
Widerruf ab, es sei denn, daß man ihn mit klaren Worten der heiligen 
Schrift überführen könne, und schloß mit der mutigen Erklärung: 
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen." Dieses 
glaubensfreudige Bekenntnis machte auf die Versammlung einen tiefen 
Eindruck. Friedrich der Weise war hocherfreut; nur der Kaiser äußerte 
sich gegen seine Begleiter, der Mönch werde ihn nicht zum Ketzer 
machen. Doch das gegebene Wort brach er nicht; er erlaubte nicht, 
daß Luther gefangen gesetzt werde, vielmehr forderte er ihn selbst zur 
Abreise auf. Damit glaubte er seiner kaiserlichen Zusage genug gethan 
zu haben. Einige Wochen später sprach er im Einverständnis mit dem 
päpstlichen Nuntius die Acht über ihn ans. Nun war das Leben des 
kühnen Reformators wirklich in Gefahr, denn wer ihn tötete, erwarb sich 
ein Verdienst. Da war es wieder Friedrich der Weise, der sich seiner annahm. 
Luther hatte von Worms aus den Weg durch Thüringen eingeschlagen, 
um seine Verwandten in dem Dorfe Möhra zu besuchen. In der 
Nähe von Alten sie in wurde der Wagen, in dem er fuhr, plötzlich 
von vermummten Reitern angehalten, er selbst wurde zum Absteigen 
genötigt, auf ein Pferd gehoben und auf die Wartburg gebracht. Hier 
verlebte er unter dem Namen „Junker Georg" zehn Monate in 
ungetrübter Ruhe. Während dieser Zeit begann er die Verdeutschung 
der Bibel. Mit bewundernswürdiger Meisterschaft übertrug er den 
biblischen Text in die Sprache des Volkes und krönte damit das Werk 
der Reformation. Das heilige Buch in der geliebten Muttersprache 
zog iu jedes Haus ein und verbreitete Belehrung, Trost und Bildung
	        
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