nach, wie dem geliebten Preußenland wieder aufgeholfen werden
könne. Weil er aber nicht hoffen konnte, jemals wieder in den
preußischen Staatsdienst zurückgerufen zu werden, so brachte er
seine Gedanken zu Papier, damit andere sie benutzen könnten.
Aber der König gab dem Freiherrn an Edelmut nichts nach.
Was Stein früher gewünscht hatte, kam wirklich zur Ausführung.
Weil Napoleon im Frieden zu Tilsit zur ersten Bedingung ge¬
macht hatte, daß der preußische Minister von Hardenberg ent¬
lassen werden müsse, so gedachte der König um des Vaterlandes
willen seines Zornes nicht mehr. Er schrieb einen Brief an den
Freiherrn und forderte ihn auf, in seinen Dienst zurückzukehren.
Als Stein den Brief des Königs empfing, lag er gerade an
einem schweren Fieber krank. Kaum aber hörte er, was in dem
Briefe stand, so rief er aus: „Gott sei gedankt, daß dieser Übel-
stand gehoben ist! Der Brief wird meine Krankheit heilen!“ Und
alsbald diktierte er seiner Gemahlin vom Bette aus die Antwort:
„Ich befolge die Befehle des Königs unbedingt.“
Als diese Antwort am Königlichen Hofe bekannt wurde, war
Freude überall. Die Königin Luise schrieb an ihren Vater:
„Stein kommt, und mit ihm kehrt meine Hoffnung wieder!“ Im
September 1807, zwei Monate nach dem unglücklichen Frieden
von Tilsit, war Stein beim Könige. Und beide gewannen mit jedem
Tage mehr Vertrauen zueinander. Sie arbeiteten gemeinsam und
setzten ihre ganze Kraft daran, das Preußenland wieder stark und
mächtig zu machen, damit es dereinst das Joch der Knechtschaft
wieder abschütteln könne.
Bald erließ der König die von Stein verfaßte Verordnung,
daß die Leibeigenschaft oder Erbuntertänigkeit der Bauern völlig
aufhören solle. Auch der geringste Untertan sollte frei sein und
nicht mehr mit Leib und Leben, mit Weib und Kind einem andern
zu eigen gehören. 1808 erschien die preußische Städteordnung.
Darin war vorgeschrieben, wie es in Zukunft mit der Verwaltung
der städtischen Angelegenheiten gehalten werden solle. Auch dieses
wichtige Gesetz zeigte bald seine heilsamen Folgen. Mit der Zeit
ist manches daran geändert worden; die Hauptbestimmungen aber
gelten bis auf den heutigen Tag.
Noch viel Segen hätte der große Mann in der schweren
Prüfungszeit stiften können; aber er mußte vor Napoleon fliehen,
erst nach Wien, dann nach Petersburg. Stein hatte an einen
Freund einen Brief geschrieben, in dem er sein Herz ausschüttete
und seiner Feindschaft gegen den fremden Unterdrücker freien
Lauf ließ. Der Brief fiel einem französischen Marschall in die
Hände, der ihn sofort an Napoleon sandte. Der entbrannte vor
5
10
15
20
25
30
35
40