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weiße Sanddüne, die sich vor dem jenseitigen Ufer angesammelt hatte, hob
sich wie leuchtender Schnee gegen das helle Grün der oben auf den hohen
Uferborden üppig wachsenden Maisfelder, wie der sie überragenden Mango-
bäume überaus wirkungsvoll ab. Einige Krokodile, die träge in der Sonne
lagen, wurden erst verscheucht, als unsere Askaris, die den mir mitgegebenen,
leider nicht zu gebrauchenden Reitesel, kurz an eines der Boote angebunden,
durch das Wasser schwimmen ließen, wahre Salven dicht über die langen
Ohren des erschreckten Tieres hinweg in das Wasser absenerten, um jene
gefräßigen Raubtiere von dem Esel fernzuhalten.
Nahe an dem hohen Ufer entlang führte unser Weg weiter iu das
Innere hinein. Nur vereinzelte Gruppen von Mangobäumen deuteten an,
daß auch hier ehemals Ansiedelungen gewesen waren; jetzt schien seit längerer
Zeit bereits das Gras der Steppe zum Alleinherrscher jenes weiten, frucht-
baren Geländes geworden zu sein. Meilenweit dehnten sich diese Gras-
flächen aus, und ich staunte über die Zeugungskrast des Bodens, der jene
gewaltigen Grasmengen alljährlich hervorzubringen vermag, die mindestens
2—3 m hoch und so dicht verwachsen sind, daß es schwer ist, in dieses
Gewirr von harten Stengeln und Schlingpflanzen einzudringen. Nur durch
die im Herbst bei eintretender Reife der Grasstengel angelegten Feuer ver-
mag man einigermaßen den Boden für die spärlichen Kulturen der Ein-
geborenen freizumachen, da ein Abernten dieser ungewöhnlichen Strohmassen,
die jeder notleidende deutsche Landwirt nur mit neidischen Blicken betrachten
könnte, noch unmöglich ist.
Wir waren dem Ende der Trockenzeit nahe; das Gras war reif, aber
trotzdem längst nicht abgestorben, sondern am Boden üppig grün und hätte
für viele Tausende von weidenden Tieren reichliche Nahrung bieten können.
Wo das Feuer an einzelnen Stellen das alte Gras vernichtet hatte, war
üppigstes junges Grün aus dem steinhart getrockneten Boden empor-
gewachsen, und das Wild schien jene saftigen Weiden besonders aufzusuchen,
wenigstens machten mich meine Begleiter mehr als einmal auf äsende Wild-
rudel aufmerksam, denen wir aber nicht nahe genug kommen konnten, um
sie beobachten oder gar als willkommene Jagdbeute für unsere Karawane
erlegen zu können.
Viele Kilometer weit dehnte sich in kaum absehbaren Ebenen an beiden
Ufern des Stromes jener tiefgründige, humose Alluvialboden aus, von dem
ich fest überzeugt bin, daß er reiche Ernten an Kulturgewächsen tragen kann,
sobald man gelernt hat, den klimatischen Verhältnissen entsprechend die
richtigen Kulturen zur rechten Zeit zu beginnen. Darauf kommt es
wohl in den meisten sogenannten Steppen unserer ostafrikanischen Kolonie
ganz besonders an. Denn bei der Kurzlebigkeit und Schnellwüchsigkeit der
meisten Getreidearten, die unter tropischer Sonne noch schneller als bei uns
gedeihen uud reifen, dürften die natürlichen Niederschläge auch in jenen
Gegenden zur Erzeugung reicher Ernten ausreichen, in denen sonst
lange Trockeuperioden die Kultur von Dauergewächsen unmöglich machen
könnten. Es gilt nur, genau zu beobachten, wann die beste Zeit der
Aussaat ist, um eine reiche Ernte zur Reife und trocken einbringen zu
können. Die geradezu üppige, natürliche, wilde Vegetation der Steppen,
wie ich sie hier tagelang durchwandern konnte, liefert wohl den Be-
weis, daß Kulturgewächse mit kurzer Vegetationszeit hohe Erträge