Full text: Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde

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niederwerfen muß. Gegen die dem unermeßlichen Antarktischen Meere zu- 
gekehrte Westseite donnern die Wogen ständig mit so gewaltigem Prall an, 
daß sie heute noch in ihrer Gliederung fast unbekannt ist. Im allgemeinen 
sind die Weststürme mit einem Steigen des Barometers verbunden, während 
plötzlicher starker Barometerfall das Herannahen eines Nordoststurmes an- 
zeigt. Wie schwer die Kerguelen von diesen Stürmen heimgesucht werden, 
mag der Hinweis illustrieren, daß der „Challenger" x), der sie im Sommer 
besuchte, an 26 Tagen 16mal Sturm verzeichnet, während Roß, der 68 
Tage hindurch im Winter auf den Kerguelen Station machte, nicht weniger 
als 45 mal Sturm durchlebte, und nur drei Tage anführte, welche frei von 
Schnee und Regen waren. 
(4. Anpassungsfähigkeit der Tiefseeorganismen.) Das Auf- 
treten von wohlentwickelten, oft ungewöhnlich vergrößerten Augen bei Fischen 
und Krustern, welche in ewig dunklen Regionen leben, hat die Biologen 
nicht wenig überrascht. Mau vermutete, daß vielleicht ultraviolette Strahlen 
oder Strahlen uns noch unbekannter Art in die Tiefe vordringen und die 
Ausbildung von Sehorganen bedingen möchten. Der Physiker ist uns frei- 
lich bis jetzt den Beweis dafür schuldig geblieben, daß unterhalb 600 m 
eine Wirkung der Belichtung sich geltend macht, und bevor dieser Nachweis 
nicht unwiderleglich geführt wird, haben wir nach anderen Lichtquellen zu 
suchen, welche den Tieffee-Organismen zur Verfügung stehen könnten. Die 
Vorstellung, daß dieses Licht von den Tiefseetieren selbst erzeugt werde, ist 
ungemein ansprechend und schon längst durch direkte Beobachtung über allen 
Zweifel gestellt. Es gewährt einen feenhaften Anblick, wenn in der Dunkel- 
heit das Vertikalnetz 2) oder die Dredsche3) mit ihrem teilweise noch lebenden 
Inhalt an die Oberfläche gelangen und die in ihnen enthaltenen Organis- 
men in phosphorischem Schein erglühen. Bald sondern sie leuchtende Sekrete 
ab, bald erstrahlt der ganze Körper, bald beschränkt sich das Leuchtvermögen 
auf spezifische Organe. An den Zweigen der Pennatuliden, die wir an der 
Somaliküste erbeuteten, huschten blitzartig von Polyp zu Polyp übergreifend 
die Strahlen auf und ab. Die Protozoen, die Würmer, der von Asbjörnson 
entdeckte Seestern Brisinga, viele Kruster der Tiefsee uud vor allen Diugen 
ein großer Teil der Tiefseefische sind durch ihre Phosphoreszenz aus- 
gezeichnet. Bei manchen der Letztgenannten umsäumen die Leuchtorgane, 
als Blendlaternen mit Hohlspiegeln und Linsen ausgestattet, die Seitenteile 
des Körpers und deu Bauch, während andere Fische als Diogenese der Tief- 
see ihre Glühlämpchen am Kopse und auf dem Unterkiefer tragen. Selbst 
die Flossenstrahlen, die Region vor der Schwanzflosse und die Schwanzspitze 
können als Träger von Leuchtorganen erscheinen. Sie kommen ebensowohl 
Fischen mit mächtig entwickeltem, wie auch solchen mit schwach ausgebildetem 
®ebiß zu, sind bei den einen überreich ausgebildet und fehlen den nächsten 
Verwandten. Da die wegen ihrer Ähnlichkeit mit Sehorganen früher für 
„Nebenaugen" gehaltenen Leuchtapparate von Nerven versorgt werden, so 
1) So^hieß die Korvette, welche 1872 von England abging. Die von Thomson 
geleitete Tiefsee.Expedition dauerte fünf Jahre und leistete Großes (Ergebnis in 38 Bänden 
niedergelegt). 
2) — Planktonnetz aus Seidengaze. 
3) == Gruudnetz aus festem Mauilahauf.
	        
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