Full text: Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde

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zurück. Plötzlich ein kräftiger Ruck, ich wähne wieder nach oben zu fahren; 
doch es ist eine Sinnestäuschung, dadurch hervorgerufen, daß der Maschinist 
die Fahrt am Schluß ein wenig verlangsamt. 
Die für den Neuling etwas ängstliche und doch interessante Fahrt — 
sie hatte kaum zwei Minuten gewährt — war zu Ende; wir waren am 
Ziel angelangt. Stimmen drangen an das Ohr, es wurde hell: ein Gang 
öffnete sich vor uns, wir verließen den Korb, von den Berglenten mit einem 
„Glückauf" begrüßt. Ich war wirklich froh, wieder festen Boden unter den 
Füßen zu fühlen. 
(2. Im Steinsalz-Abbau.) Wie mir mein Begleiter sagte, befanden 
wir uns 300 m unter Tage, und zwar mitten im Steinsalz, wofür ich die 
vom Lampenruß geschwärzten Wände allerdings nicht gehalten hätte. 
Mit Salzen beladene Wagen standen in Reihen und harrten ihrer 
Beförderung nach oben, andere wurden herangeschoben, leere Wagen fort- 
gefahren: das Ganze bot ein Bild geschäftiger Tätigkeit. 
Es mag hier eingeschaltet werden, daß der Schacht noch um 450 m, 
also auf die respektable Tiefe von 750 m abgeteuft worden ist. Auf die 
Förderung von Tage aus bis zu dieser Tiefe war man jedoch nicht ein- 
gerichtet, diese erfolgte vielmehr, ebenso wie zuvor das Abteufen des Schachtes, 
von einer tiefer liegenden Sohle aus. 
Vom Schacht aus gehen Strecken von etwa 2—3 m Höhe und 4 m 
Breite nach verschiedenen Seiten. Wir bogen nach rechts in eine solche im 
Steinsalz entlaug gehende Strecke ein und kamen nach kurzer Wanderung 
in einen Raum von ungeheurer Ausdehnung, einen Steinsalzabbau (First), 
deren es hier fortlausend wohl ein Dutzend gibt, einer von dem andern 
immer durch eine etwa 20 m starke Sicherheitswand getrennt. Wir ließen 
die ersten der Firste unbeachtet und machten erst bei der sechsten Halt, die 
mir fast noch größer als die vorhergehenden erschien. Sie ist etwa 15 m 
hoch und macht in ihrer gewaltigen Ausdehnung einen imposanten Eindruck. 
Tische uud Bänke luden zum Ausruhen ein. In diesem Räume machen 
häusig die Besucher Rast; auch wir setzten uns ein wenig nieder. Hier ist 
gelegentlich der Besuche von Vereinen schon manch fröhliches Gelage gefeiert 
worden, manch frisches Lied erklungen. Jetzt war es still ringsum. Mein 
Freund hatte mich verlassen, um mir eine Überraschung zu bereiten. Mein 
Grubenlicht war erloschen; um mich war dichte Finsternis und eine be- 
ängstigende Stille. Ein schwacher Lichtschein drang wie ans weiter Ferne 
aus dem Hintergrunde der First hervor, wo sich mein Begleiter aufhielt. 
Schaute ich nach oben, so glaubte ich in überraschender Täuschung den tief- 
dunkeln Nachthimmel zu erblicken, bedeckt mit weißen Wölkchen. Ein ganz 
eigenes Gefühl überkam mich in dieser Einsamkeit. 
Da flammte im Hintergrunde der First ein bengalisches Rotfeuer auf, 
und im Nu war der ungeheure Raum wie mit eiuem magischen Lichte über- 
gössen. Grotesken, kahlen Felsen gleich ragten die Wände der First empor, 
und von der Decke glitzerte es wie Tausende von Diamanten. Staunend 
bewunderte ich die herrliche Umgebung, bis nach geraumer Weile das Feuer 
erlosch. Wieder herrschte in dem Riesenranme tiefe Finsternis. 
Schweigend verließen wir die First und gingen zurück nach dem Schachte. 
Dort angekommen, wandten wir uns der Hauptförderstrecke zu, die eine 
Längsausdehnung von etwa 2 500 m hat. Ich war nicht wenig erstaunt, 
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