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C. Länderkunde.
§ 109. Der Thüringer Wald ist ein langgestrecktes, bis zum Kamm
hinauf bewaldetes Gebirge ohne eigentliche Pässe, auf dessen Rücken ein
fast überall fahrbarer Weg, der Rennstieg (d. i. Rain-, Grenzstieg) verläuft.
Der am meisten besuchte Punkt ist der durch seine weite Aussicht bekannte
Jnselsberg (= Emseberg, weil hier der Emsebach entspringt, 900 m).
3m NW erhebt sich über dem schöngelegenen Eisenach (vgl. Buntbild) die
vielbesuchte Wartburg, die Beherrscherin der Straßen von Hessen nach
Thüringen, 1070 erbaut, lange Zeit die Residenz der Thüringer Landgrafen.
In ihr vereinigen sich mancherlei geschichtliche Erinnerungen (Sängerkrieg, die
heilige Elisabeth, Luther, Wartburgfest 1817).
§ 110. Eine Reihe kleiner gewerbtätiger Städte am Abhang des Ge-
birges verarbeiten seine Rohprodukte: Holz, Eisen und Schiefer. Sonne-
berg ist der Mittelpunkt der Thüringer Spielzeug- und Christbaumschmuck-
indnstrie jährlicher Versand über 5 Mill. Mark) sowie für Schiefertafeln
und Griffel. Suhl liefert Gewehre, Ruhla verarbeitet den eingeführten
Meerschaum und Bernstein. Zahlreiche kleine Residenzen in anmutiger
Umgebung schmücken den Fuß des Gebirges: Meiuiugeu, Rudolstadt,
Eisenach, Koburg.
§ III. Das Thüringische Becken ist ein welliges Gebiet von
durchschnittlich 300 m Höhe. Durch einen westöstlich verlaufenden Gebirgs¬
zug — Eichsfeld, Hainleite, Finne — wird es in zwei Mulden zerlegt, von
denen die nördliche, im Tal der Helme, wegen ihrer Fruchtbarkeit die
„Goldene Aue" heißt. Den höchsten Teil der Erhebung zwischen den
Flüßchen Wipper und Helme bezeichnet das sagenumwobene Kyffhäufer-
gebirge, auf deffeu Höhe das weithin sichtbare Kaiser-Wilhelm-Denkmal
steht. Es zeigt Wilhelm I. hoch zu Roß, während Barbarossa aus den
Felsen heranstritt. In der Nähe, am Südfuße des Harzes, liegt Nord-
hausen, bekannt durch seine Schnapsbrennereien.
Die südliche Mulde wird durch die Uustrut entwässert. Während
die Höhen aus wasserarmem, unfruchtbarem Kalkboden bestehen, liefert
der Boden in der Mitte reiche Ernten. Hier liegt an einem Zufluß der
Uustrut als wichtiger Verkehrsmittelpunkt die Gärtner- und Blumenstadt
Erfurt (112), dessen Sämereien den Gartenbau Deutschlands versorgen.
Westlich von Erfurt liegt Gotha. Eine Talerweiteruug der oberen Unstrnt
reicht bis zu dem gewerblichen Mühlhausen. Südöstlich vou Mühl-
hauseu liegt Langensalza (1866).
Den östlichen Teil entwässern die Saale und die ihr von W zufließende
Ilm, in deren Tal Weimar liegt. Zwischen Ilm und Saale entstand das
gewerbtätige Apolda, dessen Strumpfwaren nach allen Erdteilen hin ver-
sandt werden. Im tiefer eingeschnittenen Tal der Saale folgt die Uni-
versitätsstadt Jena (1806), im Durchbruchstal des Flusses die Rudels-
bürg, die alte Klosterschule Pforta und an der Unstrutmündung Naum¬
burg in einem lieblichen, weinreichen Talkessel. Vorbei an Weißenfels
tritt dann die Saale in die fruchtbare Leipziger Tiefebene ein.