Full text: Für die III. Klasse der Kinder (2. Theil)

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Erzählende Prosa. 
Ueberlegenheit leicht, das kleine Häuflein 
einzuschließen, und sie hatten weiter keine 
Sorge, als daß der König ihnen entrinnen 
möchte. Am Morgen des 5. Novembers 
brachen sie auf und fingen an, die Preußen 
zu umgehen. 
Friedrich blieb ganz ruhig in seinem Zelte 
und setzte sich am Mittag noch eben so ruhig 
zu Tische, während die ganze Gegend von 
der lustigen Feldmusik der aufmarschierenden 
Franzosen erklang. Diese erstaunten über 
die Trägheit der Preußen, weil sie deren 
Schnelligkeit noch nicht kannten. Erst um 
zwei Uhr gab Friedrich den Befehl, die 
Zelte abzubrechen, und plötzlich stand jeder 
Soldat an seinem Platze. Durch ein mei— 
sterhafteßs Manöver wußte Friedrich seine 
Bewegungen dem Feinde so lange zu ver— 
bergen, bis es Zeit zum Angriffe war. Auf 
einmal erdonnerten die Hügel von dem 
fürchterlichsten Kartätschenfeuer der preußischen 
Batterien; Prinz Heinrich griff die franzö⸗ 
sische Infanterie in ihrer rechten Flanke an 
und Seydlitz, der Hauptheld dieses Tages, 
schlug mit der Reiterei die feindliche in die 
Flucht und fiel sodann dem Fußvolke in 
den Rücken. Die fast unglaubliche Ueber— 
raschung machte die Verwirrung unter den 
Angegriffenen vollkommen. Das Reichsheer 
ergriff bei den ersten Kanonenschüssen die 
Flucht; die Franzosen hielten sich etwa an⸗ 
derthalb Stunden. Das Feuer des Fuß— 
volkes dauerte keine halbe Stunde. Die 
einbrechende Dunkelheit allein rettete die 
Fliehenden von ihrem gänzlichen Untergange. 
Doch setzte man ihnen noch am folgenden 
Tage bis an die Unstrut nach und bekam 
über 7000 gefangen, unter denen 9 Generale 
und 320 andere Officiere waren. Viele sollen 
erst am Rheine Halt gemacht haben. Auf 
dem Schlachtfelde erbeuteten die Sieger 63 
Kanonen und 22 Fahnen und Standarten. 
Nur 91 Todte und 274 Verwundete lostete 
ihnen diese lustige Schlacht; ein wahres 
Meisterstück der Kriegskunst, indem eine genial 
entworfene Disposition puͤnktlich ausgeführt 
wurde. Seydlitz, dem der König, der seine 
ungemeinen Gaben und Verdienste um die 
Ausbildung der Reiter vollkommen erkannte, 
an diesem Tage den Befehl über die ganze 
Reiterei übergeben hatte, obschon er der jüngste 
General dieser Waffe war, entsprach die— 
sem Vertrauen auf das Glänzendste. Er er— 
hielt den schwarzen Adlerorden, den noch 
niemals ein Generalmajor bekommen hatt 
und wurde nach einigen Tagen zum General⸗ 
lieutenant ernannt. Die Reiterei war bei 
Roßbach in einer vorher nie gesehenen Größe 
erschienen und glaubte sich unter einem solchen 
Anführer fortan unüberwindlich. 
Ganz Deutschland jubelte über diesen Sieg 
den auch die Bewohner der mit Friedrich im 
Kriege begriffenen Reichsstaaten als eine Na— 
tionalangelegenheit betrachteten, am meisten 
aber die Sachsen, denen jene Franzosen hatten 
zu Hilfe kommen wollen. Die thüringischen 
Bauern, erbittert gegen diese Plünderer, brach⸗ 
ten den Preußen selbst eine Menge Gefen— 
gener, wobei sie bittere Klagen über die 
Zugellosigkeit dieser Gäste führten. Friedrich 
sehr erfreut, sie und sich derselben entledigl 
zu haben, ging mit seinem begeisterten Heere, 
das ihm trotz der rauhen Jahreszeit williß 
folgte, nach Leipzig zurück, und beschloß nun, 
seinem ersien Feinde auf gleiche Weise die 
Stirne zu bieten. 
Und wahrlich, in Schlesien that seine Ge— 
genwart noth. Das Heer bei Görlitz hatl 
am 7. Septlember durch den Angriff des 
Generals Nadasti auf den Holzberg bei Moy⸗ 
einen harten Verlust erlitten. 1200 tapfen 
Krieger waren gefallen und, was noch weil 
unerfetzlicher war, der treffliche Winterfeldt 
Friedrich's Liebling und einziger Vertrautet 
war unter ihnen. Der Herzog von Bevern 
und Ziethen hatten darauf das Heer nach 
Schlesien geführt, um dies Land gegen den 
Feind zu decken; aber dieser war ihnen aus 
dem Fuße gefolgt, in der Absicht, ihr kleines 
Heer ganz aufzureiben. Entschlossen, den 
Seinen die schleunigste Hilfe zu leisten und 
Schweidnitz, das schon seit einigen Wochen 
belagert ward, zu entsehen, braͤch Friedrich 
mit seinem siegreichen Heere am 12. Novem— 
ber von Leipzig auf, um zum Bevern'schen 
Corps zu stoßen. Aber in Görlitz erfuhr er 
schon, daß sich das wichtige Schweidniß mil 
seinen reichen Kriegsvorräthen und seinen 
6000 Vertheidigern an den General Nadast 
ergeben habe (1I1. November), und nun sah 
er auch Beverns Niederlage voraus. Wirklic 
erhielt er auch von diesem zweiten Unglüc 
schon in Naumburg am Queis den 24. No— 
vember die erschütternde Nachricht. Ein drei 
fach überlegenes Heer unter dem Prinzen 
von Lothringen und dem Feldmarschall Daun 
hatte ihn am 22. November bei Breslau 
angegriffen und geschlagen; er selbst wurde
	        
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