Full text: [Teil 2 = 4. und 5. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 4. und 5. Schuljahr, [Schülerband])

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11. Die Forelle. 
WilhelmMüller. Gedichte. Herausgeg. von Max Müller. Leipzig. 1868. F. A. Brockhaus,I. S. 91. 
1. In der Hellen Felsenwelle 
Schwimmt die muntere Forelle, 
Und in wildem Übermut 
Guckt sie aus der kühlen Flut, 
Sucht, gelockt von lichten Scheinen, 
Nach den weißen Kieselsteinen, 
Die das seichte Bächlein kaum 
Überspritzt mit Staub und Schaum. 
2. Sieh doch sieh, wie kann sie Hüpfen 
Und so unverlegen schlüpfen 
Durch den höchsten Klippensteg. 
Grad als wäre das ihr Weg! 
Und schon will sie nicht mehr eilen, 
Will ein wenig sich verweilen 
Zu erproben, wie es thut, 
Sich zu sonnen aus der Flut. 
3. Über einem blanken Steine 
Wälzt sie sich im Sonnenscheine, 
Und die Strahlen kitzeln sie 
In der Haut, sie weiß nicht wie; 
Weiß in wühligem Behagen 
Nicht, ob sie es soll ertragen, 
Oder vor der fremden Glut 
Retten sich in ihre Flut. 
4. Kleine muntere Forelle, 
Weile noch an dieser Stelle 
Und sei meine Lehrerin! 
Lehre mir den leichten Sinn, 
Über Klippen wegzuhüpfen, 
Durch des Lebens Drang zu schlüpfen 
Und zu gehn, ob'skühlt, ob'sbrennt, 
Frisch in jedes Element. 
12. Betrachtung über ein Vogelnest. 
Johann Peter Hebel. Werke. Ausg. in 3 Bdn. Karlsruhe. 1853. Müllersche Hofb. III. 8. 2. 
Wenn der geneigte Leser ein Finkennest in die Hand nimmt und 
betrachtete, was denkt er dazu? Getraut er sich, auch so eins zu stricken, 
und zwar mit dem Schnabel imd mit den Füßen? Der Hausfreund 
glaubt’s schwerlich. Ja, er will zugeben: der Mensch vermag viel. Ein 
geschickter Künstler mit zwanzig feinen künstlichen Instrumenten kann 
nach viel mißlungenen Versuchen zuletzt etwas herausbringen, das einem 
Finkennest gleich sieht, und alle, die es sehen, können es von einem 
wirklichen Nest, das der Vogel gebaut hat, nicht unterscheiden. Als¬ 
dann bildet sich der Künstler etwas ein und meint, jetzt sei er auch 
ein Fink. Guter Freund, dazu fehlt noch viel. Und wenn ein wahrer 
Fink, wie du jetzt auch einer zu sein glaubst, dazu käme und könnte 
dein Machwerk durchmustern wie der Zunftherr ein Meisterstück, so 
würde er den Kopf ein wenig auf die linke Seite drücken und dich mit 
dem rechten Auge seltsam ansehen, und so er menschlich mit dir reden 
könnte, würde er sagen: „Lieber Mann, das ist kein Finkennest! Ich
	        
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